Madrid/Rom/Den Haag/London/Budapest - Die internationale Presse kommentierte die Situation in Pakistan in ihren Montag-Ausgaben:

  • "El País" (Madrid):

    "Der Ausnahmezustand und die Suspendierung der Verfassungsrechte zerschlagen die Hoffnungen auf eine Öffnung in dem so wichtigen asiatischen Land. Der Schritt des Diktators, der damit der Ablehnung seiner Wiederwahl seitens des Obersten Gerichts zuvorkam, wird begleitet von Maßnahmen, die aus dem Putsch-Handbuch stammen: Das Militär auf den Straßen, Fernsehen und Hörfunk unter Kontrolle gestellt, Massenverhaftungen von Oppositionellen und Bürgerrechtlern.

    Musharrafs neuer Sprung ins Leere stellt US-Präsident George W. Bush überdies vor einen neuen außenpolitischen Alptraum: Ein Diktator, von den USA unterstützt und von fast allen anderen verlassen, erhöht auf dramatische Weise die Instabilität eines zerstrittenen Landes, das sich in einer kritischen Region befindet und über Nuklearwaffen verfügt."

  • "Guardian" (London):

    "Alle Vorzeichen für die Protestierenden sind nicht gut. Unabhängige Fernsehsender wurden geschlossen, und Pakistans gefürchtete Geheimpolizei kann ohne juristische Aufsicht machen, was sie will. Einen Tag nachdem er verkündet hatte, das Land gegen den islamischen Terror zusammenzuhalten, geht Armeechef Pervez Musharraf gegen Menschenrechtsaktivisten vor, so zum Beispiel gegen Asma Jehangir, den Chef der unabhängigen Organisation Human Rights Commission of Pakistan. Der General zeigt seine eiserne Faust - und seine westlichen Unterstützer können wenig dagegen tun."

  • "Tages-Anzeiger" (Genf):

    "Wenn die Nuklearmacht Pakistan wankt, wankt die Welt mit. Pakistan wankt gerade bedrohlich, so stark wie seit vielen Jahren nicht mehr. Manche nennen das Land schon einen "gescheiterten Staat". Viel fehlt nicht. Das politische Chaos ist heillos. Das Land franst aus. Islamische Extremisten halten ganze Regionen unter ihrer Kontrolle. (...) Islamistischer Terrorismus in einem wankenden Nuklearstaat - diese Kombination macht der Welt Angst. Zu Recht. Pakistanische Politik ist darum immer auch Weltpolitik. (...) Musharrafs autokratische Hand wird die Militanten nur noch mehr anstacheln. An baldige Wahlen glaubt niemand mehr. Am wenigsten der General."

  • "Independent" (London):

    "Pervez Musharrafs Putsch - was es in Wahrheit ist - hat die schwächliche Kalkulation des Westens bloßgelegt und den Fehler, ihn in die Rolle des amerikanischen Hilfssheriffs hineinzubugsieren. (...) Wenn Pakistan künftig als freundlich gesinnter Staat verloren ist, ist Musharraf nur zum Teil verantwortlich. Ein großer Teil der Schuld lastet auf dem Westen, der darauf beharrt hat, dass die einzige Priorität von Pakistans Machthabern die strategischen Launen des Westens sind.

    Stattdessen hätten wir mehr Druck machen müssen, dass Demokratie hergestellt, ein Wahltermin festgelegt und der Druck auf die Justizgewalt beendet wird. Das hätte ein Fünkchen Hoffnung gegeben, dass Pakistan aus dem tiefen Morast herauskommt. Die Alternative ist das stetige Abdriften ins Chaos."

  • "La Repubblica" (Rom):

    "Condoleezza Rice steht bei den Demokraten und bei vielen Experten in Sachen Außenpolitik im Kreuzfeuer der Kritik. Denn diese geben dem doppelten Spiel Washingtons die Schuld am Staatsstreich Musharrafs. Rice hat deshalb gestern angekündigt, dass die Hilfen, die die Vereinigten Staaten Pakistan zukommen lassen, neu geprüft werden sollen. (...)

    Aber es sieht nicht so aus, als ob die USA die militärische Unterstützung für Islamabad einstellen wollen (...). Seit 2001 hat Musharraf fast elf Milliarden Dollar von Washington erhalten und der Geldfluss geht mit einem Rhythmus von 150 Millionen Dollar pro Monat weiter. Davon fließen aber (...) nur zehn Prozent in Projekte, die wirtschaftliche und soziale Ziele haben: Der Rest geht an die Soldaten."

  • "de Volkskrant" (Den Haag):

    "Ist der Ausnahmezustand ein probates Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus? Der Zeitpunkt erweckt sehr den Eindruck, dass Musharraf in erster Linie einer anderen Gefahr begegnen will, nämlich dass der Oberste Gerichtshof womöglich seine jüngste Wiederwahl als Präsident für ungültig erklären könnte. In Islamabad schwirrten in der vergangenen Woche Gerüchte herum, wonach unter Führung des obersten Richters Iftikhar Mohammed Chaudry, der schon früher mit Musharraf aneinandergeriet, eine Mehrheit des Gerichtshofs diesen Standpunkt einnehmen werde.

    Wenn das stimmt, geht es dem General also vor allem um die eigene Position, die durch seinen Zickzackkurs im vergangenen Jahr ernsthaft geschwächt worden ist. (...) Damit können die USA und Europa sich nicht zufrieden geben. Denn auch wenn im Umgang mit einer instabilen Regierung, die über Atomwaffen verfügt, Behutsamkeit geboten ist - auf lange Sicht ist von einem Regime, das die Macht aus den Gewehrläufen kommen lässt, nichts Gutes zu erwarten."

  • "Nepszava" (Budapest):

    "... Musharraf beruft sich bei seinem Staatsstreich auf den Kampf gegen den Terrorismus und das Chaos. Die Diagnose stimmt, nur dass leider die von ihm erwähnten Gefahren auch durch sein Zutun und das seiner Vorgänger in den Himmel wuchsen. Die Verantwortung trifft aber nicht nur die Militärdiktatoren, sondern die gesamte halb-feudale pakistanische Elite.

    Auch in diesem südasiatischen Land ist jener unschöne Prozess vonstattengegangen, in dessem Gefolge den durch Unterdrückung, Korruption und eine haarsträubend ungerechte Einkommensverteilung Frustrierten keine andere Widerstandsoption mehr bleibt als der politische Islamismus. Für eine bürgerliche Politik gäbe es zwar eine Basis, doch jene Politiker, die sie - wie die Ex-Ministerpräsidenten Benazir Bhutto und Nawaz Sharif - symbolisieren, sind selbst Teil jener korrupten Elite, die Pakistan zum 'failed state' (Versager-Staat) gemacht hat."

  • "Basler Zeitung":

    "Seit dem Wochenende ist klar, dass der alte Pokerspieler zu seiner letzten Partie angetreten ist. (...) Bereits vergangene Woche deutete sich an, dass das Oberste Gericht Musharrafs (...) Wahl in das Präsidentenamt vermutlich für illegal erklären wird. Die Ausrufung des Notstands war daher die letzte Möglichkeit, mit der er seine öffentliche Demontage verhindern konnte. Retten wird ihn das trotzdem nicht. (...) Durch die Aussetzung der Parlamentswahlen gewinnt Musharraf vielleicht etwas Zeit für weitere Verhandlungen. Doch seine uneingeschränkte Herrschaft geht zu Ende. Ob dies eine Chance für Pakistan ist oder das Land in weiteres Chaos stürzen wird, wird sich weisen."

  • (APA)