Beim skandalgebeutelten Siemens -Konzern wächst die Unruhe. Zwar hat der neue Vorstandschef Peter Löscher in seinen ersten vier Monaten bereits ein immenses Programm abgearbeitet, vom milliardenschweren VDO-Verkauf bis zu einer ersten Einigung mit der Justiz im Schmiergeldskandal. Doch der radikale Konzernumbau, an dem Löscher derzeit bastelt, wird für viele Beschäftigte und Führungskräfte noch größere persönliche Konsequenzen haben.

Schnell entworfen

"So eine Umstrukturierung ist auf dem Reissbrett schnell entworfen", sagt ein Kenner des Unternehmens, "die Umsetzung ist dann extrem heikel." Bei der Aufsichtsratssitzung an diesem Mittwoch (7. November) bekommen die Kontrolleure einen Zwischenstand, Entscheidungen sollen am 28. November getroffen werden. Die guten Geschäftszahlen, die Löscher am Donnerstag auf der Jahres-Pressekonferenz vorlegen dürfte, rücken angesichts der Umwälzungen schon fast in den Hintergrund.

Löscher will dem Konzern eine neue Führungsstruktur verpassen. Bisher war Siemens in ein knappes Dutzend Bereiche aufgegliedert. Die Chefs dieser Einheiten hatten viel Freiraum. Vom kommenden Jahr an soll der Konzern nur noch auf drei Säulen ruhen, nämlich Energie, Gesundheit und Industrie. Die Verantwortlichen für diese drei Arbeitsgebiete ziehen in den Konzernvorstand ein, der damit ein neues Gesicht bekommt und voraussichtlich verkleinert wird.

"Da wird auch der ein oder andere Bereichsvorstand gehen."

"Das wird natürlich auch Veränderungen auf der mittleren Führungsebene nach sich ziehen", sagt ein Konzern-Insider. "Da wird auch der ein oder andere Bereichsvorstand gehen." Zudem ist das Schicksal von altgedienten Zentralvorständen ungewiss, für die in der neuen Struktur kein Platz mehr sein könnte. Im Umfeld des Konzerns wird aber darauf verwiesen, dass es Löscher bisher gelungen sei, die Mannschaft einzubinden. "Natürlich wird der eine oder andere als Verlierer und wieder ein anderer als Sieger aus der Situation hervorgehen." Die ganz große Unruhe gebe es im Konzern aber nicht.

Auf Arbeitnehmerseite ist man noch zurückhaltend und will die Lage nicht kommentieren. "Wir wollen Herrn Löscher die Zeit geben, die er benötigt", sagt Aufsichtsrat Dieter Scheitor. Wichtig sei für die Arbeitnehmer, dass es offenbar keine weiteren Verkäufe von Großbereichen geben solle. Zuletzt hatte Löscher ein klares Bekenntnis zu Osram und Bosch Siemens Hausgeräte abgegeben.

Gut unterwegs

Beim Umbau und bei der weiteren Aufklärung der Schmiergeldaffäre profitiert Löscher davon, dass der Konzern operativ gut unterwegs ist. Zwar weichen die Schätzungen der Analysten teils weit voneinander ab; wegen der milliardenschweren Zu- und Verkäufe hat sich der Konsolidierungskreis in den vergangenen zwölf Monaten erheblich verändert. Nicht nur Adrian Hopkinson von der WestlLB erwartet aber im Geschäftsjahr 2006/07 (30. September) einen kräftigen Gewinnsprung in den Kerngeschäften - trotz Belastungen durch die Verluste des Gemeinschaftsunternehmens Siemens Nokia Networks. Auch Roland Pitz von UniCredit geht davon aus, dass die wichtigsten Bereiche wie Kraftwerkbau, Energieverteilung, Medizintechnik, die Automatisierungstechnik und der Lichtkonzern Osram ihre Renditeziele erfüllen.

Allerdings kann sich auch dann kaum eine Sparte des Konzerns ganz sicher fühlen, was die Unsicherheit im Konzern vergrößert. Im Unternehmen wird damit gerechnet, dass Löscher den Renditedruck noch einmal verschärft. "Da kann sich jede Business Unit selbst ausrechnen, ob sie im Konzern eine Zukunft hat", sagt ein Branchenexperte. (APA)