Semmering - Tausende Kommunalbetriebe stehen in der EU mit dem Rücken zur Wand. "In Europa ist ein Paradigmenwechsel von Öffentlich zu Privat im Gang", sagte der Generalsekretär des europäischen Dachverbands der gemeinwirtschaftlichen Unternehmen (CEEP), Rainer Plassmann, beim jährlichen Seminar des Verbands der Öffentlichen Wirtschaft am Montag am Semmering. "Ich sehe keinen Bereich, der künftig der öffentlichen Daseinsvorsorge vorbehalten sein wird."

Laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) können kommunale Unternehmen wie die Wiener Stadtwerke Aufträge nicht mehr ohne Ausschreibung vergeben. Immer vehementer drängen private Unternehmen in vormals der öffentlichen Hand vorbehaltene Bereiche. Mehr Markt, so die Überlegung in Brüssel, soll die Effizienz auch bei sozialen Dienstleistungen erhöhen. Kritiker befürchten eine Verschlechterung und eine "Verwässerung" der sozialen Marktwirtschaft. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass viele Kommunen, die bisher Dienste im öffentlichen Interesse wie Wasserversorgung, Müllentsorgung oder den öffentlichen Personennahverkehr in Eigenregie abgewickelt haben, unter Geldnot leiden und auf Investoren angewiesen sind. "Dann hat die Kommune aber keine Kontrolle mehr wie über eine Dienststelle. In-House-Vergaben sind somit unzulässig", sagte Rita-Maria Kirschbaum, die für Österreich beim EuGH in Luxemburg tätig ist.

Unzulässig ist eine freihändige Auftragsvergabe aber auch dann, wenn ein Kommunalbetrieb als Aktiengesellschaft ausgelagert ist. Denn laut Aktienrecht ist der Vorstand der AG weisungsfrei, der als AG geführte Kommunalbetrieb somit auch keine Dienststelle der Verwaltung mehr und folglich ausschreibungspflichtig. Weil die Kompetenzzuweisung im EU-Recht sehr breit und offen formuliert ist, werden immer öfters Feststellungsansuchen an den EuGH herangetragen. Dieser ist aber jetzt schon überlastet. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.11.2007)