Ansichtssache
Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien - Am heutigen Dienstag, dem 47. Verhandlungstag, gehen die Zeugenbefragungen im Bawag-Prozess weiter. Auf dem Zeugenstuhl nehmen Bawag-Mitarbeiterin Renate Zartler-Schwob und Direktor Hermann Ziegler, pensionierter Chef der Bawag-Bilanzabteilung, Platz.

Zartler-Schwob war als Nachfolgerin von Peter Nakowitz, als dieser 1997 von der Abteilung Beteiligungen ins Generalsekretariat wechselte, für die konkrete Abwicklung der Geschäfte mit Flöttls Firmen zuständig. Sie gewährte am Dienstag tiefe Einblicke in die zeitweise absurd wirkende Abwicklung der Sondergeschäfte und die Verheimlichung der Verluste. Richterin Claudia Bandion-Ortner vernahm sie abgesondert von den meisten Angeklagten, lediglich Wolfgang Flöttl und Wirtschaftsprüfer Robert Reiter durften während ihrer Befragung im Gerichtssaal bleiben.

"Besonderes Vertrauensverhältnis"

Nakowitz habe ihr damals die Kreditunterlagen gegeben und die Geschäfte als "absolut sensibel" bezeichnet, schilderte Zartler-Schwob. Die große Geheimhaltung sei wegen des medialen Interesses an den ersten Karibik-Geschäften notwendig, es dürfe nur ein kleiner Personenkreis in der Bank davon wissen, sei sie von Nakowitz instruiert worden. Sie habe nur mit ihrer damaligen Chefin Ingrid Winter-Reumann, mit Nakowitz und mit dem damals für die Abteilung Beteiligungen zuständigen Vorstand Johann Zwettler darüber gesprochen. Nakowitz habe ihr auch die Verträge der Bank mit Flöttl vorgelegt und gemeint, im Normalfall seien solche Unterlagen viel umfangreicher, in diesem Fall sei dies aber wegen des "besonderen Vertrauensverhältnisses" zu Flöttl nicht notwendig.

Auch die Verfassung von Aktennoten mit Anträgen der Fachabteilung an den Vorstand, die von ihr zeitlich noch vor die bereits vergangene Vorstandssitzung rückdatiert wurden, gehörte demnach zu Zartler-Schwobs Aufgaben. Die Zeugin schilderte, dass sie im Oktober 1998 von den ersten Millionen-Verlusten durch Flöttl nichts erfahren hatte. Ihr sei von ihrer Chefin Winter-Reumann damals lediglich gesagt worden, dass der Vorstand "Umstrukturierungen" beschlossen habe und auf sie viel Arbeit zukomme.

Daraufhin habe sie zahlreiche Zettel über Zahlungsflüsse, Kontoauszüge und Abrechnungen vom Treasury bekommen - "ungeordnet und umfangreich". Winter-Reumann habe ihr erklärt, dass nun Kredite an Stiftungen in Liechtenstein gewährt wurden, die Altkredite an Flöttls Firmen wurden kontomäßig abgedeckt. Über Verluste bei den Flöttl-Geschäften als Ursache dieser "Umstrukturierungen" habe sie nichts vermutet, betonte die Zeugin.

"Kein Grund, an irgendwas zu zweifeln"

"Das ist ja ein Perpetuum Mobile", wunderte sich Richterin Claudia Bandion-Ortner über diese Geldflüsse: Die Kredite an Flöttl bei der BIF (Bawag International Finance) in Dublin seien durch das Geld der Stiftungen abgedeckt worden, das Geld für die Stiftungen kam wiederum von der Bawag.

"Meine Aufgabe war es, Zahlungsflüsse mit den Kreditlinien in Vereinbarung zu bringen, das habe ich gemacht", beschrieb Zartler-Schwob ihre Tätigkeit. "Es war ein unübliches, einzigartiges Geschäft, aber ich hatte keinen Grund, an irgendetwas zu zweifeln". Die Anweisungen an sie seien immer als Anordnungen bzw. Beschlüsse vom Vorstand dargestellt worden.

Aufhorchen ließ Zartler-Schwob, als sie auf Befragung durch den Rechtsanwalt des mitangeklagten Christian Büttner, Erich Müller, erklärte, wer die Anweisung an das Bawag-Treasury zur Überweisung von über 500 Mio. Euro im Herbst 1998 unterschrieben habe. Ihrer Erinnerung nach trug die Anweisung die Unterschriften von Peter Nakowitz und ihrer Chefin, Ingrid Winter-Reumann. Zartler-Schwob schilderte die Rolle von Nakowitz als ihre "Ansprechperson" und "verlängerter Arm vom Vorstand". Nakowitz habe immer die Wünsche des Vorstands überbracht.

Ziegler: Durch Karibik-1-Rückführung keine Verluste

Hermann Ziegler, der zweite Zeuge am Dienstag, gab dann einen Rückblick auf die 1994 rückgeführten "Karibik-1"-Geschäfte. "Wir können Generaldirektor Walter Flöttl aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht befragen", erläuterte Richterin Claudia Bandion-Ortner, warum der 1995 pensionierte, ehemalige Leiter der Bawag-Bilanzabteilung Ziegler nun im Bawag-Prozess in den Zeugenstand gerufen wurde.

Bei der Rückführung der Karibik-Geschäfte seien der Bank keine Verluste entstanden, auch zuvor habe man mit Flöttl jun. Gewinne gemacht, betonte Ziegler. Er persönlich habe von Beginn der Karibik-1-Geschäfte gewusst, dass die Gelder der Bawag von einer Gruppe um Flöttl jun., dem Sohn des damaligen Generaldirektors Walter Flöttl, gemanagt wurden. Dies hätten auch andere Mitarbeiter in der Bank gewusst, ob der Aufsichtsrat der Bank dieses Wissen auch hatte, entziehe sich seiner Kenntnis.

Die Flöttl-Geschäfte schienen ihm damals nicht riskant, da auch bei einem Verlust von 20 Prozent noch immer kein Verlust für die Bank eingetreten wäre. Die von Flöttl gekauften Wertpapiere seien hauptsächlich Aktien gewesen, keine derivativen Papiere und keine Swaps. Flöttls Unternehmen hätten von der Bawag Kredite erhalten, dafür waren Verzinsungen vereinbart. "Es erschien mir kein Risiko zu sein", betonte Ziegler.

Rückführung "unter dem Druck der Öffentlichkeit"

Als 1994 die Geschäfte der Bawag mit Wolfgang Flöttl bekannt wurden, wurden die Geschäfte unter dem Druck der Öffentlichkeit zurückgeführt, weil große Abflüsse von Kundengeldern befürchtet wurden, erläuterte Ziegler. Die an die Bawag zurückgeführten 23 Milliarden Schilling mussten damals kurzfristig veranlagt werden, das habe zu Einbußen bei den Zinsen geführt. Trotzdem sei die Bilanz 1994, die Abschiedsbilanz für den scheidenden Generaldirektor Walter Flöttl, sehr gut ausgefallen, betonte Ziegler.

Nach der Wiederaufnahme der Geschäfte mit Wolfgang Flöttl (Karibik-2) unter Helmut Elsner habe er von den Details der neuen Geschäfte nichts mehr mitbekommen. Seinen eigenen Abgang aus der Bank 1995 - für eine sechsmonatige Übergangsphase war er noch Konsulent - erklärte Ziegler mit "privaten Gründen". "Es hat die Chemie nicht gestimmt", meinte er. Bei der Neubesetzung des Vorstands fühlte er sich nach eigenen Angaben nicht übergangen: Eigentlich habe er damals nicht damit gerechnet, dass er Vorstandsdirektor werde. (APA)