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"Scheitern ist wichtig", meint Sven Dolinski, der Romeo aus Sebastian Hartmanns im September einstimmig verrissener Burgtheater-Inszenierung. Aber: "Wenn man für seine Arbeit kritisiert wird, wird man indirekt auch als Mensch angegriffen."

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Sven Dolinski (25) besuchte die Schauspielschule Ernst Busch in Berlin und ist Ensemblemitglied am Burgtheater.

Foto: Georg Soulek, Burgtheater
SchülerStandard: Mit einem sehr guten Notendurchschnitt wollten Sie zunächst Physik studieren - wie kamen Sie dann zum Schauspiel?

Sven Dolinski: Meine damalige Lebensgefährtin, eine Wirtschaftsstudentin, meinte, ich könne nicht Physik studieren, da wir beide sonst zu langweilige Berufe hätten. Daraufhin habe ich mich an der Schauspielschule beworben und wurde prompt genommen. Zum Abschlussvorsprechen meines dritten Studienjahres kamen mehrere Intendanten deutschsprachiger Theater, unter anderem ein Dramaturg des Burgtheaters, aber ich wurde erst nach Wien eingeladen, nachdem ich mich beworben hatte.

SchülerStandard:Wie sehr beschäftigten Sie sich als Jugendlicher mit dem Theater?

Dolinski: Mein erstes Theatererlebnis war Zadeks "Hamlet". Ich habe zwar kein Wort verstanden, aber ich fand es faszinierend. Heute bevorzuge ich klassische Stücke, mein Favorit ist "Onkel Wanja" von Tschechow. Es gibt viel zu wenig gute moderne Stücke, ich befürchte langsam, die Dramatiker verlernen das Schreiben.

SchülerStandard:Was raten Sie werdenden Schauspielern?

Dolinski: Man muss auf seine Intuition vertrauen und wissen, was man dem Zuseher näherbringen will. Es ist ein Lottogewinn, wenn die erste Arbeit richtig gutgeht. Aber letztlich zählt die Motivation.

SchülerStandard: Apropos Motivation, wie ist es, von Kritikern beurteilt zu werden?

Dolinski: Das ist ein sehr Österreich-spezifisches Phänomen, diese Medienöffentlichkeit gibt es in Deutschland beim Theater nicht. Es ist unangenehm, wenn die Erwartungen so hochgeschraubt werden. Wenn man für seine Arbeit kritisiert wird, wird man indirekt auch als Mensch angegriffen. Aber da muss man durch.

SchülerStandard: Weshalb halten Sie "Romeo und Julia" für noch immer zeitgemäß?

Dolinski: "Romeo und Julia" symbolisiert die Liebe als jugendliche, naive, lebensfreudige und zugleich todesmutige Energie. Das ist für mich zeitlos. Die Motivation, Theater zu machen, nehme ich aus der Literatur, oft ist es nur ein Satz in einem Stück. Bei "Romeo und Julia" ist es ähnlich.

SchülerStandard:Worin besteht die Aufgabe des Theaters?

Dolinski:Durch den direkten Kontakt zum Publikum kann man Dinge zu erzählen, die einem wichtig sind, ohne sich darum bemühen zu müssen, dass es nicht "wegschaltet". Natürlich gibt es Regisseure, denen eine große Show wichtiger als die Kunst an sich ist. Doch im Gegensatz zu Berlin muss man in Wien nicht um sein Publikum kämpfen, hier kommen die Leute auf Grund des Abo-Systems sowieso.

SchülerStandard: Welches Publikum wäre ideal?

Dolinski:Ein älteres Publikum hat Erwartungen, die man nicht erfüllen möchte, und ein junges solche, die man nicht erfüllen kann, deshalb ist es eine Gratwanderung.

SchülerStandard: Zweifeln Sie als Schauspieler viel?

Dolinski: In der Kunst ist es selten, dass etwas hundertprozentig gelingt, aber das Scheitern ist wichtig. Alle Schauspieler, die ich bewundere, zweifeln - an sich selbst, aber nicht an der Kunst. (DER STANDARD Printausgabe, 6. November 2007)