Vor illegalen Medikamenten aus dem Internet warnt ein deutscher Experte: "Wir werden durch die leichtfertig verfügte Liberalisierung der Vertriebswege für Arzneimittel unsere Toten bekommen, mehr als uns lieb sein kann." Das erklärte Theo Dingermann, Professor für Pharmazeutische Biologie, anlässlich einer Klausur des Österreichischen Apothekerverbandes am Dienstag in Bad Leonfelden (Bezirk Urfahr-Umgebung) in Oberösterreich. Deutschland habe bereits "rechtlich die Schleusen geöffnet".

Zu sehr auf das Preisetikett reduziert

Gesundheit und Krankheit würden zu sehr auf das Preisetikett reduziert, kritisierte Dingermann. Der Wert eines Medikaments, in erster Linie Krankheiten in den Griff zu bekommen, sinke. "Wer kann Medikamente zur Bagatelle, zum Schnäppchen im Internet oder zum Angebot auf der Palette erklären?", fragte der Universitätsprofessor in seinem Vortrag. Arzneimittel würden sich nicht für den Wettbewerb eignen. Kostentreiber sieht der Universitätsprofessor unter den Herstellerfirmen, die mit "Scheininnovationen die Preise hochhalten und sich an Krankheit und Leid bedienen". "Sie verschreiben zu viel, zu unselektiv, zu wenig generisch."

Kern des Problems sei, dass es in Europa eine Strömung gebe, die das Apothekenwesen für Kapitalgesellschaften öffnen wolle, so Dingermann. In Norwegen beispielsweise würden sich drei Ketten den Markt teilen. 45 Prozent der vertriebenen Arzneimittel würden von konzerneigenen Generika-Herstellern stammen, der Konzern erwirtschafte 73 Prozent seines Umsatzes im Heimatland in jenen Apotheken, die zur Kette gehören. Der Experte machte darauf aufmerksam, dass es aber nicht Aufgabe des Apothekers sei, eine besonders gewinnbringende, sondern eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung sicherzustellen.

Zum Glück

"In Österreich ist die Situation zum Glück anders", erklärte der Präsident des Apothekerverbandes, Friedemann Bachleitner-Hofmann. Die Bundesregierung habe erst kürzlich wieder in einer Stellungnahme an die EU betont, dass Arzneimittel besondere Waren seien. Medikamente müssten nach Bedarf eingesetzt werden, so Bachleitner-Hofmann: Ein falscher Arzneimittel-Einsatz ist Arzneimittel-Missbrauch." Der Grundsatz der Apotheker ist einfach: so viele Arzneimittel wie unbedingt nötig, so wenige wie möglich. (Reuters)