Bild nicht mehr verfügbar.

Vor allem die Langzeit-Auswirkungen der Handynutzung bei Kindern und Jugendlichen sind noch immer unklar

Foto: APA/dpa/Harald Schneider

"Je nachdem von welchem Blickwinkel aus man die selben Daten betrachtet, ist das Glas halb voll oder halb leer", sagt Michael Kundi, Leiter des Instituts für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien. Er liefert damit eine Erklärung, warum die Studienlange und Interpretation zum Nachweis möglicher schädlicher Auswirkungen von Mobilfunkstrahlen so kontroversiell ist, denn auf Studien, die Entwarnung gaben, folgten in der Vergangenheit immer wieder solche, die auf Gefahren hinweisen.

Interpretationssache

Kundi nennt auch ein Beispiel für derartige unterschiedliche Schlussfolgerungen: Für eine englische Untersuchung im Rahmen der Interphonestudie wurden 1000 Fälle von bösartigen Gehirntumoren untersucht. Die Autoren kamen zum Schluss, dass kein Zusammenhang mit Mobiltelefonbenutzung besteht. "Die durchschnittliche Nutzungsdauer war aber unter fünf Jahren – keine Exposition unter fünf Jahren kann Hirntumore erzeugen – nicht einmal Röntgenbestrahlung des Schädels", erklärt der Umweltmediziner das Ergebnis.

Sechs Prozent der untersuchten Personen hätten aber über einen Zeitraum von rund zehn Jahren Handys benutzt und das Risiko für Hirntumore in dieser Gruppe sei sehr wohl erhöht gewesen. Die Langzeitwirkung konnte laut Kundi also festgestellt werden. Zweitens sei das Risiko, dass ein schon bestehender Tumor an der Seite, an der telefoniert wird, beeinflusst wird, ebenfalls erhöht gewesen.

Kernproblem

Anders sieht das Forum Mobilkommunikation (FMK) die mögliche Gefahr: Aus wissenschaftlicher Sicht gebe es "keinen begründeten Verdacht auf Gesundheitsrisiken bei den niedrigen elektromagnetischen Feldern (EMF) des Mobilfunks – auch nicht für Kinder und Schwangere", so die Reaktion in einer Aussendung.

Für das FMK vertreten "einige skeptische Forscher einen pessimistischen Ansatz". "Wir wissen zwar aus einigen gut belegten Studien, dass die Mobilfunkstrahlung eine schädliche Wirkung hat, aber wir wissen noch nicht, wie genau sie wirkt", erklärt Umweltmediziner Erik Huber das größte Problem bei der Thematisierung der Mobilfunkstrahlung.

Mangel an wissenschaftlichen Studien

Bis jetzt gibt es auch keine einzige Untersuchung über die langfristigen Auswirkungen des Handygebrauchs bei Kindern oder Jugendlichen, so Kundi. Es gebe nur Untersuchungen zur Beeinflussung der kognitiven Leistung durch kurzfristige Exposition. Man müsse die vorliegenden Daten im Sinne der Vorbeugung aber trotzdem ernst nehmen, auch wenn die Mobilfunkindustrie darauf hinweise, dass es bislang keine Beweise für die Gesundheitsschädlichkeit gebe.

Kinder

Beim Telefonieren mit dem Handy werden rund 90 Prozent der Strahlung vom menschlichen Kopf absorbiert. Da der kindliche Organismus noch in Entwicklung begriffen ist und vermutet wird, dass die Mikrowellen tiefer in den kindlichen Schädel eindringen als in den erwachsenen, müsse der Schutz von Kindern und Jugendlichen oberste Priorität haben. Die Latenzzeit für Erkrankungen könne länger sein, als jede bisher durchgeführte Studie. Denn Fakt sei, dass 70 Prozent der Zwölf- bis 13-Jährigen in Europa ein Handy besitzen.

Forderungen der Ärztekammer

"Wir sind aber keinesfalls für ein Handyverbot", stellt Huber klar. Die Ärztekammer tritt aber zumindest für ein Werbeverbot für Handys für Kinder und Jugendliche ein. Ärztekammerpräsident Walter Dorner fordert von der Mobilfunkindustrie außerdem einen "Verzicht auf Null-Cent-Tarife, die zum hemmungslosen Telefonieren mit dem Handy einladen".

Von den Handyerzeugern wird die Kennzeichnung strahlungsarmer Handys und die Mitgabe der zehn Handyregeln beim Verkauf gefordert. Huber übt auch besondere Kritik an der Ausstattung der Handys: "Handys sollten wieder Anschlüsse für externe Antennen haben", denn diese reduzierten die Strahlenexposition, so der Umweltmediziner.

Empfehlungen

Vorbeugend empfiehlt er "das Festnetz so oft wie möglich zu benutzen", vor allem für längere Gespräche und die Einhaltung der von der Ärztekammer publizierten "10 medizinischen Handyregeln".Das Verlagshaus der Ärzte hat auch ein Buch zum Thema "Nebenwirkung Handy – Schaden Mobiltelefone unserer Gesundheit?" herausgegeben. Huber betont, dass er selbst kein Handyverweigerer sei, er ist aber "am liebsten am Festnetz erreichbar". (mat, derStandard.at, 6. November 2007)