Porträt eines ungleichen Duos, das mehr als eine reine Zweckgemeinschaft ist.

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Wien – Die zwei sind so verschieden, dass man es hören kann. Der eine presst, nach tiroler Art, kehlige Laute hervor, der andere spricht, wie in Wien üblich, das „L“ mit Zungenschlag. Und nicht nur akustisch liegen Welten zwischen den beiden. „Er ist wie Porphyr, ich wie Basalt“, sagt Andreas Khol: „Wir sind Urgesteine, er rot, ich schwarz.“

Graue Heerscharen

Nun soll sich die Regierung die Zähne ausbeißen. Seit Wochen fordern Karl Blecha, Chef des roten Pensionistenverbands, und sein schwarzes Pendant Khol eine saftige Rentenerhöhung, und zwar 2,1 Prozent statt der verheißenen 1,7. Andernfalls könnten die grauen Heerscharen bei den nächsten Wahlen die Gefolgschaft verweigern. 350.000 gesammelte Unterschriften haben Blecha und Khol bei der ersten – ergebnislosen – Verhandlungsrunde am Dienstag vorm Kanzleramt abgeladen.

Leere Drohungen eines großmäuligen Duos wie die beiden Muppet Show-Opas Waldorf und Stettler, die von ihrer Loge herunterkeppeln? Dazu ist ihre Klientel zu mächtig, weil zahlreich. Zwei Millionen Pensionisten leben in Österreich, insgesamt ein Drittel ist beim roten oder schwarzen Verband. Gemeinsam wollen die Anführer aus der Masse eine schlagkräftige Lobby formen. Obwohl die beiden „alten Hasen“ (Khol) nicht aus dem selben Bau stammen.

Als „typischen Ostösterreicher“ beschreibt Khol sein Gegenüber: „Blecha ist erfahren, geistreich, witzig, ein bisserl schlitzohrig und wendig.“ Der Sohn eines Rathausbeamten findet früh in den Schoß der Partei. Als Generalsekretär gilt Blecha, Sozialwissenschafter und Mitbegründer des Meinungsforschungsinstituts IFES, als erster Spin-Doctor, als Innenminister verstrickt er sich im roten Filz. Der Lucona-Skandal kostet den Regierungsjob, der Noricum-Prozess endet mit einer bedingten Verurteilung wegen Urkundenfälschung. Das hindert den jovialen Blecha nicht daran, bis ins hohe Alter von 77 den „Hab’ ka Zeit-Charly“ zu spielen, mit Vorliebe im Rang eines Präsidenten – der roten Pensionisten oder der Gesellschaft für österreichisch-arabische Beziehungen.

Auch Andreas Khol hat ein Faible für internationale Politik. Während Blechas Herz aber für linke Befreiungsbewegungen wie die algerische FLN schlägt, steigt der Cartellbruder aus dem Westen lieber für heimattreue Südtiroler auf die Barrikaden. Bis heute ärgert sich Khol, wenn Andreas Hofer („in jedem Lebensalter für mich Held“) als katholischer Taliban verunglimpft wird.

Marx gegen Hofer

Khol lernt beide Seiten des heil’gen Landes kennen. Die Faschisten vertreiben die Familie mit adeligen Wurzeln aus Südtirol, in Innsbruck studiert der Sohn Rechtswissenschaften. Ob als Direktor der Parteiakademie, strenger Klubchef im Dienst von Schwarz-Blau oder Nationalratspräsident: Eine Karriere lang gibt Khol, nun 66, den grundsatztreuen Vordenker.

Das von Blecha mitkonzipierte SPÖ-Programm von 1978 geißelt der Katholik als „Marxismus mit Zuckerguss“, er will Gott in die Verfassung schreiben und entwirft die Vision einer auf Freiwilligkeit basierenden Bürgergesellschaft. Weshalb Khol seine Tätigkeit als Seniorenbundchef, obwohl „ein Fulltime-Job“, nun ehrenamtlich ausübt: „Man kann nicht die Bürgergesellschaft predigen und sich dann davon schleichen.“

Karl Blecha entdeckt da eine Gemeinsamkeit: „Wir sind beide wertkonservative Menschen, die eine Deformierung unseres Wertesystems befürchten.“ Nur, dass der eine halt die „Entsolidarisierung“ anprangert, während der andere vor „Hedonismus und Technokratie“ warnt. Khol drückt es so aus: „Zwischen zwei festen Ufern kann man gut Brücken bauen.“

Wobei die Baumeister tunlichst vermeiden, Wellen zu schlagen – obwohl es durchaus Meinungsverschiedenheiten gibt. Khol hat an jener Pensionsreform mitgebastelt, die der rote Rentnerchef als „Pensionsraub“ verteufelte. Blecha wiederum fordert neue Abgaben zur Finanzierung der Altersversorgung, was sein schwarzer Partner ablehnt. „Das blasen wir aber nicht groß in die Luft“, sagt Blecha. Eben um das gemeinsame Ziel nicht zu gefährden.

Der Umkehrschluss, da sei eine rot-schwarze Verhaberung im Gange, wäre dennoch voreilig. Khol berichtet mit gewissem Stolz: „Ich bin einer der wenigen, die mit Blecha nicht per Du sind.“ (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2007)