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Der serbische Ultranationalist Vojislav Seselj muss sich seit Mittwoch vor dem UN-Tribunal in Den Haag verantworten. Laut Planung soll die Verhandlung ein Jahr dauern.

Foto: AP /Toussaint Kluiters
Den Haag - Der seit 2003 inhaftierte serbische Politiker Vojislav Seselj hat am Donnerstag vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu einem ersten, mehrstündigen Plädoyer ausgeholt. Das Gericht sei "illegal und illegitim", sagte der 53-Jährige, der sich wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Balkan-Kriege in den 90er Jahren verantworten soll.

Die Kriege hätten sich nicht "gegen Muslime, Kroaten oder Albaner, sondern gegen deren Bosse - Deutschland, den Vatikan, die USA und die NATO - gerichtet", sagte Seselj. "Ich habe niemals jemanden zum Krieg aufgerufen, außer wenn es um die Verteidigung der Serben ging".

Seselj beschuldigte Deutschland und den Vatikan, für das Auseinanderfallen Jugoslawiens Anfang der 90er Jahre verantwortlich zu sein. Er spielte damit auf die frühzeitige Anerkennung Kroatiens durch Deutschland und den Vatikan an. Das Land hatte sich 1991 für unabhängig von Jugoslawien erklärt. Diejenigen, die Jugoslawien damals auseinanderbrechen wollten, seien verantwortlich für den folgenden Bürgerkrieg gewesen, sagte Seselj.

Ethnischen Vertreibungen, Hassreden

Nachdem Anklägerin Christine Dahl ihm am Vortag zur Prozesseröffnung vorgeworfen hatte, für die ethnischen Vertreibungen sowie für Hassreden mit Mord und Folter als Folge verantwortlich zu sein, hielt Seselj am Donnerstag sein Eingangsplädoyer.

Der Angeklagte warf dem UNO-Gericht vor, "serbenfeindlich" zu sein. "Das Gericht hat die Aufgabe erhalten, die neue serbische Geschichte zu fälschen", stellte er fest und erläuterte seine These am Beispiel der ehemaligen bosniakischen Enklave Srebrenica. Er stellte in Abrede, dass es in Srebrenica, wo von bosnisch-serbischen Truppen im Sommer 1995 rund 8.000 Bosnier ermordet wurden, einen Völkermord gegeben habe.

"Das Verbrechen ist schrecklich"

Seselj: "Ich bestreite nicht, dass es ein Verbrechen begangen wurde. Dort wurden 1.000 bosnische (muslimische) Soldaten erschossen. Das Verbrechen ist schrecklich, ich bestreite dies nicht, einen Völkermord hat es allerdings nicht gegeben."

Die meisten Vorwürfe bezeichnete er als frei erfunden oder konstruiert. Er bekannte sich dazu, dass die von ihm geführte Serbische Radikale Partei (SRS) Freiwillige für den Krieg geworben habe. Sie hätten an Kämpfen teilgenommen, aber niemals Verbrechen verübt. Auch seien seine, von der Anklage zitierten Drohungen an die Adresse von Kroaten und Muslimen kein Aufruf zu Gewalttaten gewesen. Vielmehr habe er vor Übergriffen gegen Serben warnen wollen, um diese zu verhindern. "Ich habe als Friedensstifter gehandelt."

Freiwillig gestellt

Seselj hatte sich im Februar 2003 freiwillig dem UN-Tribunal gestellt. Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit dem in Den Haager Haft verstorbenen jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic zur "ethnischen Säuberung" in Bosnien, Kroatien und Serbien zugunsten eines "Groß-Serbien" aufgerufen zu haben. Seselj sieht sich und sein Land als Opfer anderer Mächte. Seselj hatte nach dem Ende des Kalten Krieges 1990 die Serbische Radikale Partei gegründet. Bis zum Sturz von Milosevic im Oktober 2000 war Seselj Vize-Regierungschef.

Seselj ist immer noch Vorsitzender der Serbischen Radikalen Partei, die trotz ihrer Oppositionsrolle stärkste politische Kraft in Belgrad ist. Der Angeklagte bat das Gericht um die höchste Strafe, damit er zeigen könne, dass er zu dieser "unsterblichen" Ideologie stehe. Er bedauerte es, dass das UN-Tribunal die Todesstrafe nicht verhängen kann. So könne er nicht wie der hingerichtete irakische Diktator Saddam Hussein für seine Überzeugung sterben. (APA/dpa)