Paris/London/Rom - Die überaus gespannte politische Lage in Pakistan nach Verhängung des Ausnahmezustands beschäftigt auch am Mittwoch europäische Pressekommentatoren:

  • "Le Monde" (Paris):

    "Trotz Milliarden von Dollar, die Militärmachthaber Pervez Musharraf nach dem 11. September 2001 erhalten hat, ist es ihm nicht gelungen, die wirtschaftliche Zukunft des Landes zu sichern. Die Islamisten nutzen die Armut aus, in der die Mehrheit der 160 Millionen Pakistaner lebt. Der viel gelobte wirtschaftliche Erfolg kam nur wenigen zugute. Pakistan braucht freie Wahlen, die die Bevölkerung mit dem Staat aussöhnt. Der 'Krieg gegen den Terrorismus' rechtfertigt weder den Willen eines Mannes, ewig an der Macht zu bleiben, noch die Inhaftierung von Oppositionellen oder die Unterdrückung von Rechtsanwälten. Dieser Krieg braucht die Unterstützung der Öffentlichkeit, in deren Augen Pervez Musharraf ein diskreditierter Mann ist."

  • "The Times" (London):

    "Großbritannien und die USA sind von der Entwicklung in Pakistan, die nichts anderes als ein Putsch ist, bloßgestellt worden. Keines der Länder ist in der Lage, mit dem pakistanischen Armeechef Pervez Musharraf zu brechen. Der General spielte eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen islamistische Extremisten, beim Beenden der sinnlosen Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan und beim harten Durchgreifen gegen Terroristen-Camps. In Wahrheit gibt es weder eine wahre Alternative zu Musharraf noch ist es ohne ihn möglich, die Grenze zu Afghanistan zu stabilisieren."

  • "The Independent" (London):

    "Musharrafs Putsch hat die schwächliche Kalkulation des Westens bloßgelegt. Wenn Pakistan künftig als freundlich gesinnter Staat verloren ist, ist Musharraf nur zum Teil verantwortlich. Ein großer Teil der Schuld lastet auf dem Westen, der darauf beharrt hat, dass die einzige Priorität von Pakistans Machthabern die strategischen Launen des Westens sind. Stattdessen hätten wir mehr Druck machen müssen, dass Demokratie hergestellt, ein Wahltermin festgelegt und der Druck auf die Justizgewalt beendet wird. Das hätte ein Fünkchen Hoffnung gegeben, dass Pakistan aus dem tiefen Morast herauskommt."

  • "La Repubblica" (Rom):

    "Benazir Bhutto (...) ist bereit, selbst eine kriegerische Position hinter den Barrikaden der Opposition einzunehmen. Journalisten sagte sie, sie werde nicht mehr mit Musharraf sprechen, so wie sie es zuvor heimlich in Dubai getan hatte. (...) Die doppelte Herausforderung für den Präsidenten und Chef der Streitmächte, der vergangenen Samstag den Ausnahmezustand verhängt hatte und über 3000 Oppositionelle festnehmen ließ, nimmt mittlerweile beunruhigende und unvorhersehbare Formen an. Bisher hatte es sich um einen Protest weniger Hundert Männer gehandelt, aber die ehemals verbannte Chefin der einflussreichsten Partei des Landes scheint entschlossen, eine Revolte von ganz anderen Dimensionen anzuführen."

  • "Süddeutsche Zeitung" (München):

    "Es geht um viel Geld. Aus den USA flossen als Dank für Pakistans Kooperation im 'Krieg gegen den Terror' etwa zehn Milliarden Dollar nach Islamabad. Aus Großbritannien kamen seit 2006 rund 490 Millionen Dollar dazu; doppelt soviel ist für die Jahre zwischen 2008 und 2011 versprochen. Auch die EU-Kommission beschloss ein Hilfspaket von 72 Millionen Dollar, beteuert nun aber, das Geld sei allein zur Stärkung der Menschenrechte und der Schulbildung gebilligt worden; Musharraf würde nicht direkt davon profitieren. (...)

    Nach einer Studie des amerikanischen Center for Strategic and International Studies gingen von dem aus Washington nach Islamabad überwiesenen Geld sechs Milliarden Dollar an die pakistanischen Streitkräfte, weitere 1,6 Milliarden wurden demnach für den Kauf von Kampfflugzeugen gewährt, die Pakistan einkaufte, um das strategische Gleichgewicht mit Indien zu wahren."

  • "De Morgen" (Brüssel):

    "Nach der Aufhebung der Verfassung (...) hat ein beträchtlicher Teil der Anwaltschaft im Land die Arbeit niedergelegt. Protest auf der Straße ist allerdings unmöglich. In der ostpakistanischen Stadt Multan wurden tausend Anwälte daran gehindert, auf die Straße zu ziehen, nachdem die Polizei den örtlichen Justizpalast umzingelt hatte. Dabei kam es zu Scharmützeln, und Juristen und Polizisten bewarfen einander mit Steinen."

  • "Märkische Oderzeitung" (Frankfurt/Oder):

    "Für die USA brennt es an allen Fronten. Der aktuelle Krisenbogen reicht von der Türkei über den Irak, den Iran, Afghanistan bis nach Pakistan. Im palästinensisch-israelischen Dauerkonflikt zeichnet sich keine Lösung ab. Das Verhältnis zu Russland ist seit Monaten gespannt. Die Supermacht, gelähmt durch das Irak-Abenteuer, hat die außenpolitische Initiative verloren. Da die Konflikte im Irak und in Afghanistan militärisch in der Sackgasse stecken, müsste ein Schwenk zu politischen und wirtschaftlichen Lösungsansätzen erfolgen. Von George W. Bush ist dieser nicht zu erwarten, weil damit das Eingeständnis der eigenen Niederlage verbunden wäre."

  • (APA/dpa)