Illustration zur Sage "Der Bärenhäuter" von Jakob Kirchmayr.

Bild: Tyrolia Verlag/Jakob Kirchmayr

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Viele Hinweise auf "sagenhafte Ereignisse" lassen sich in Wien noch entdecken - wie hier der "Basilisk" an der Fassade des gleichnamigen Hauses in der Schönlaterngasse.

Foto: APA/Bakaljarova

Brigitte Weninger, Jakob Kirchmayr:
Wiener Sagen
Tyrolia Verlag, 200 S.,
ISBN 978-3-7022-2876-7,
19,90 Euro.

Hörbuch: Wiener Sagen,
gelesen von Gregor Seberg, musikalische Begleitung: bratfisch,
60 min., ISBN 978-3-7022-2877-4,
14,90 Euro.

Gewinnspiel
Wir verlosen 3 Bücher und 3 Hörbücher von den "Wiener Sagen"

Cover: Tyrolia Verlag
"Den ganzen Tag strudl i mi da ab und werd von der aufg'maschelten Packlrass nur abgschasslt. Bandlkramer, verfluchte!" (aus "Schab den Rüssel")

Wenn es auch das Prinzip der Sage ist, dass sie im Lauf der Zeit immer weiter ausgeschmückt wird, so geht Brigitte Weninger eher wieder den umgekehrten Weg: Ohne bei den Geschichten sehr ins Detail zu gehen, ohne viel "schmuckes" Beiwerk also, dafür – siehe obenstehendes Zitat - umso lebhafter erzählt die Tiroler Autorin in dem Buch "Wiener Sagen" 60 Wiener traditionelle, mythenumrankte Volkserzählungen neu.

Jedem Bezirk seine Mythen

Aus jedem der 23 – heutigen – Wiener Bezirke ist zumindest eine Volkserzählung im Buch vertreten. Doch wer glaubt, die Autorin konnte dabei überall "aus dem Vollen schöpfen", irrt: Auch die Website www.sagen.at, laut Weningers Buch "die größte Sagen- und Märchensammlung im deutschen Sprachraum", kennt aus den Bezirken 15 (Rudolfsheim-Fünfhaus) und 22 (Donaustadt) nur jeweils eine Sage. Keine Schwierigkeiten, Geschichten zu finden, hatte die Autorin freilich mit dem 1. Bezirk; fast jede zweite Sage im Buch "trug" sich schließlich in der alten Wienerstadt zu – nicht zuletzt die bekanntesten wie die vom "Lieben Augustin" oder jene vom "Basilisken" in der Schönlaterngasse.

Nicht fehlen darf in dem Buch natürlich der "Lindwurm vom Kahlenberg", daneben serviert Weninger aber auch weniger bekanntes, doch nicht minder "Sagenhaftes" wie "Das fliegende Haus" vom Alsergrund, "Die Wäschermädeln und der Winddämon" (Gumpendorf) oder den "Schlossherrn von Ottakring".

Etwas schade ist, dass dort, wo dies - zumindest für kulturgeschichtlich interessierte LeserInnen - von Bedeutung wäre, nicht auf unterschiedlich überlieferte Versionen der Geschichten eingegangen wird. Besonders drastisch zeigt sich das bei der Sage von der "Spinnerin am Kreuz": Manche Sagen-Sammlungen verweisen zumindest auf drei, vier verschiedene Versionen, www.sagen.at kennt sogar deren sieben.

Zum richtigen Vergnügen machen das Buch aber ohnehin erst die Zeichnungen von Jakob Kirchmayr. Wie schon die "Tiroler Sagen" von Brigitte Weninger (2005) und die "Vorarlberger Sagen" von Bernhard Lins (2006; beide Tyrolia Verlag) hat der Tiroler Künstler auch die "Wiener Sagen" großartig illustriert.

Seberg liest Augustin

Parallel zum Buch hat der Verlag weiters ein Hörbuch herausgegeben. Der Autor, Regisseur und Schauspieler Gregor Seberg, bekannt von Kino (etwa "Schwarzfahrer), Fernsehen ("Soko Donau") und Bühne (zuletzt am Wiener Volkstheater), liest "die elf schönsten" Sagen aus dem Buch – u.a. den "Lieben Augustin", den "Zahnweh-Herrgott" und den "Basilisken". Musikalisch untermalt wird die Lesung von der Gruppe "bratfisch".

Die Website www.sagen.at – aufgebaut von Wolfgang Morscher von der Universität Innsbruck und der Kunsthistorikerin Berit Mrugalska, die an Weningers Buch mitgearbeitet hat - sei hier übrigens auch mit Nachdruck zum Besuch empfohlen. Neben den "traditionellen Sagen", deren Ursprung meist viele hundert Jahre zurückliegt und von denen viele in Weningers Buch nacherzählt werden, gibt es dort auch einen Bereich mit "Sagen der Gegenwart" – und hier wird tatsächlich nichts ausgelassen. Von dem meisterhaften Schelmenstück, das Helmut Qualtinger mit dem Besuch des Eskimodichters 1951 abzog, bis zu den heute meist als "urbane Legenden" bezeichneten Grusel-Erzählungen wie jene von den "Kanalmenschen" , die in der weitläufigen Wiener Kanalisation gelebt haben sollen, oder von dem vermeintlichen Hund, den ein Ehepaar aus Mitleid vom Asien-Urlaub mitbringt und der sich dann als Riesenratte entpuppt (haben soll) - großes Kino! Und wer hier die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit findet, darf sie behalten. (map, derStandard.at, 7.11.2007)