Wien – Theater soll Kommunikation nach sich ziehen. Das wünschen die an den Berliner Sophiensälen geschulten Neo-Intendanten Thomas Frank und Haiko Pfost auch für ihre neue Wirkungsstätte im "brut"-Theater. Ihr ab nächster Woche laufender Auftaktschwerpunkt richtet sich gleich an sämtliche Generationen: "Jung bleibt alt" ist eine aus vielen Sparten behutsam zusammengestellte Reihe, die die Konfrontation zwischen den Generationen in Kommunikation umsetzen möchte.
Ein Vorhaben, das man im Segment der Berufsjugendlichen so nicht unbedingt erwartet hat, und dem es mit einer Vielfalt an Herangehensweisen auch zu glücken scheint, den Begriff "Schwerpunkt" nicht nur als konzeptuellen Schmuck zu tragen. Sechs diesbezügliche Produktionen sind im November zu sehen. Parallel bzw. danach starten zwei weitere Themenschwerpunkte: "Roböxotica" erforscht das Verhältnis Mensch und Maschine, "Apparat Film" untersucht filmische Methoden am Theater.
Zunächst aber "Jung bleibt alt", das mit klassischen Topoi wie Vater-Sohn/Mutter-Tochter-Konflikten hantiert, andererseits seine Zuseher aber auch auf recht ungewöhnliche Reproduktionsfantasien stoßen lässt: Mit der Erschaffung eines neuen Menschen befasst sich die Brüsseler Gerichtsmedizinerin Marijs Boulogne in Form eines Anatomie-Theaters: Sie häkelt, stickt und näht ein Baby und lässt die Zuseher aktiv daran teilhaben. Die Libanesin Lina Saneh führt in ihrem Film "I had a dream, mom ..." ein zwischen Realität und Fiktion changierendes Interview mit ihrer Mutter. Benjamin Verdonck, Enfant terrible aus Antwerpen, lädt sich in "Wewilllivestorm" seinen Vater als stummen Zuschauer auf die Bühne. Natasa Rajkovic und Bobo Jelcic versammeln in "S Druge Strane – Auf der anderen Seite" (Stück des Jahres 2006 in Kroatien) mehrere Familienmitglieder rund um eine Couch.
Das Motto "Jung bleibt alt", das wohlweislich das landläufige Sprichwort "Alt bleibt jung" auf den Kopf stellt, ist ein Friedensangebot inmitten von Konfliktreichtum. Dem Berliner Choreografen und Tänzer Martin Nachbar war es vor allem wichtig, mit seinem Vater "Zeit zu verbringen, die uns in der Vergangenheit gefehlt hat".
In seinem Stück "Repeater", das am Donnerstag in Berlin Uraufführung feiert und ab 14. November im "brut" anläuft, spielt der Papa als Amateur nämlich mit. "Mein Vater hat mich jedes Jahr im Juli zum Kirschenpflücken in seinen Garten eingeladen. Das war mir aus zeitlichen Gründen nur einmal möglich. Also habe ich jetzt – umgekehrt – meinen Vater in meinen Zeitplan integriert."
Genauso lakonisch wie der Mittdreißiger dies sagt, ist auch das Stück gemeint. Nachbar beeindruckt keine übergeordnete Generationen-Debatte, "Repeater" ist eine rein persönlich motivierte Arbeit, in der Vater und Sohn einander als Projektionsflächen dienen, indem sie einander in der Bewegung beobachten. "Ich möchte die Themen, seien sie auch unausgesprochen, nicht leicht halten, aber doch offen. Und ich habe es dringlich vermieden, ins Psychodramatische hinüberzugleiten".
Gesten der Senioren