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Täglich alles über den neuen Eigner: Bernard Arnault kaufte "Les Echos"

Foto: Reuters/BENOIT TESSIER
Dauernd berichten sie über anderer Firmen Übernahmen. Nun streiken die Journalisten von Les Echos gegen die eigene. Zweimal konnte das Blatt nicht erscheinen. Am Montag hatte die britische Mediengruppe Pearson den Verkauf der wichtigsten Wirtschaftszeitung Frankreichs an den Luxusgüterkonzern LVMH für 240 Millionen Euro fixiert.

Streik gegen Verkauf

LVMH gehört dem Milliardär Bernard Arnault. Der 58-jährige Nordfranzose kontrolliert heute schon das zweitwichtigste Wirtschaftsblatt La Tribune und wird dieses aus Kartellgründen abstoßen müssen. Investoren wie Vincent Bolloré haben Interesse angemeldet. Der Entscheid über die Tribune soll heute, Donnerstag, fallen.

Die Journalisten von „Les Echos“ sträubten sich von Beginn gegen Arnault, da sie um ihre Unabhängigkeit fürchten: LVMH ist so groß, dass sie tagtäglich darüber berichten – ob über Louis Vuitton, Dom Perignon oder Dior. Die geschlossene Redaktion reichte vor Gericht mehrere Rekurse gegen die Kaufabsichten Arnaults ein und präsentierte einen alternativen Investor, der fünf Millionen mehr bot als LVMH. Doch Arnault verfügte seit Jahren über ein Vorkaufsrecht. Dessen einziges Zugeständnis: Die Redaktion erhalte Vetorecht bei der Ernennung des Chefredakteurs.

Redaktionelle Unabhängigkeit ein seltenes Gut

Redaktionelle Unabhängigkeit ist in Paris ohnehin ein seltenes Gut. Im Traditionsblatt "Le Figaro" lässt der Rüstungsindustrielle Serge Dassault ungeniert seine neusten Produkte wie das Kampfflugzeug Rafale propagieren. Oder die Ideen von Staatspräsident Nicolas Sarkozy, seinem persönlichen Freund, der sich auf seinen Auslandbesuchen für den Rafale einsetzt. Der Flugzeug-, Rüstungs- und Medienmagnat Arnaud Lagardère bezeichnet Sarkozy gar als "Bruder". Dafür feuert er den Chefredakteur von Paris-Match, der ein Foto von Cécilia Sarkozy mit ihrem damaligen Geliebten veröffentlicht hatte. Am Wahltag verzichtete ein anderes Lagardère-Blatt, Le Journal du Dimanche, auf einen Exklusivbericht, dass die – später geschiedene – First Lady Cécilia nicht einmal an die Wahlurne gegangen war; die Redaktion protestierte offen gegen diese "Zensur".

Arnault ist Taufpate von Sarkozys Sohn Louis. LVMH hat lebt weniger von Staatsaufträgen wie Dassault oder Lagardère, braucht aber gutes Auskommen mit den Behörden; etwa eine Ausnahmebewilligung, das Louis-Vuitton-Geschäft an den Champs-Elysées sonntags zu öffnen. Der zweite Taufpate des Sarkozy-Sprösslings heißt Martin Bouygues, der als Chef des gleichnamigen Baukonzerns ebenfalls ein Großkunde der öffentlichen Hand ist. Ihm gehört auch der größte französische Fernsehsender TF1; mit der Leitung seiner übrigen Themenkanäle betraute er Sarkozys Wahlkampfleiter Laurent Solly.

Zum engsten Freundeskreis des Präsidenten gehören auch der Einzelhandelsinvestor François Pinault, dem die Wochenzeitschrift le point gehört; Albert Frère, der immer wieder in Medien wie RTL investiert oder Vincent Bolloré, der über diverse Gratiszeitungen, Fernsehsender, Werbeagenturen und Umfrageinstitute gebietet. All diese Milliardäre nahmen am Wahlabend an Sarkozys privater Siegesfeier im "Fouquet's" auf den Pariser Champs-Elysées teil. Arnaults neuster Deal bestätigt in Frankreich den Trend zur „schleichenden Berlusconisierung“, wie sich Journalistenverbände ausdrücken. Schleichend deshalb, weil die Medienkonzentration im Unterschied zu Italien nicht in einer Person stattfindet.

Zensur und Druck

In Paris bietet die – nicht nur geografische – Nähe von Redaktionen, Ministerien und Geschäftssitzen einen geeigneten Nährboden dafür. Die politisch unabhängige "sociétés des journalistes" sprach vom "annus horribilis" für die französischen Medien: "Zunehmende Konzentration, Druckversuche, Zensur und Hausdurchsuchungen – nichts fehlt, um ihre Unabhängigkeit täglich zu reduzieren." Das war noch vor dem Verkauf von Les Echos. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD; Printausgabe, 8.11.2007)