Dornbirn - Die Kernfusion, für die EU-Kommission eine "langfristige Energieoption", ist für den international tätigen Energie- und Atompolitikberater Mycle Schneider "ein reiner Geldfresser". Man habe 50 Jahre geforscht, herausgekommen sei kein einziges Kilowatt. Deshalb ist das 7. Rahmenforschungsprogramm der EU für Schneider "eine Vollkatastrophe". Der Anteil der Kernenergie sei "hochgeschossen", kritisiert der Träger des Right Livelihood Award (Alternativer Nobelpreis) am Rande einer Veranstaltung über "Zukunftsfähiges und nachhaltiges Wirtschaften" in Dornbirn.

Zehn AKW vom Netz

Von den vier Mrd. Euro für die Atomforschung fließen bis 2013 knapp drei Milliarden in die Fusionsforschung. Insgesamt bekommt die Atomforschung jährlich 89 Prozent mehr. Im Gegensatz dazu messe die Politik intelligentem Energieeinsatz und notwendigen Umsetzungsstrategien keine Bedeutung zu. Dennoch sieht der Pariser Politikberater aber keine Renaissance der Atomkraft. "Im Gegenteil, wir erleben in der EU einen schleichenden Ausstieg." Seit 2005 seien in Europa zehn Anlagen vom Netz genommen worden. Schneider: "Ein einziges Atomkraftwerk - in Finnland - wird neu gebaut, das feiert die Atomindustrie als Erfolg."

Weltweit waren vor fünf Jahren 444 Anlagen in Betrieb, heute sind es 439. Sie produzieren 16 Prozent des Stroms. Für Schneider "eine vernachlässigbare Größe". Um den Kraftwerkebestand zu halten, müsste man bis 2015 weitere 69 Reaktoren bauen und in Betrieb nehmen. Dazu fehlten die Fachkräfte.

Schneider: "Der Kompetenzverlust in der Kraftwerksindustrie ist katastrophal." Beweis dafür ist für den Politikberater der Bau des ersten europäischen Druckwasserreaktors (EPR) in Finnland: Seit zwei Jahren wird mit enormen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen gebaut. (Jutta Berger, DER STANDARD Printausgabe, 8.11.2007)