"Wir sind doch alle Iraker, trotz der Differenzen, die wir momentan haben." Bebak spricht aus, was derzeit viele denken in den kurdischen Autonomiegebieten im Nordirak. Die Drohung der Türkei, eine grenzüberschreitende Militäroperation gegen die türkisch-kurdische Guerillaorganisation PKK durchzuführen, hat sie zusammenrücken lassen. Separatistische Töne wie noch vor einem Jahr hört man derzeit selten in Erbil, der Hauptstadt der Kurdengebiete.

"Wenn die türkischen Soldaten die Grenze überschreiten, greifen sie den Irak an, und dann müssen die Amerikaner dazwischen." Bebak ereifert sich, wenn er an das mögliche Szenario denkt. Der 19-jährige Student fürchtet um die Stabilität im Nordirak, einer Oase der Ruhe und des Friedens im Vergleich zum Rest des Landes. "Das wollen die jetzt aufs Spiel setzen", sagt Bebak.

Mit "die" meint der junge Kurde etwa 5000 PKK-Kämpfer. Nach der Inhaftierung ihres Anführers Abdullah Öcalan hatte sich die Guerillatruppe vermehrt in den irakischen Bergen niedergelassen - mit schweigender Duldung durch die Kurdenführer Massud Barzani und Jalal Talabani. Seit dem Fall Saddam Husseins 2003 fühlen sie sich jedoch zunehmend unwohl mit den ungebetenen Gästen. "Am liebsten würden wir sie wieder loswerden", gibt Jawad zu, der seinen vollen Namen nicht genannt haben will. Er ist Mitglied der KDP, Barzanis Demokratischer Partei Kurdistans. Lange habe man die Präsenz der Guerilla verschwiegen, gibt er zu, doch die Kämpfer hätten durch vermehrte Terroraktionen selbst auf sich aufmerksam gemacht.

Die Nachrichtenagentur Aswat Aliraq mit Sitz in Erbil sieht die irakischen Kurden nicht in der Lage, ihr Territorium gegen einen türkischen Angriff zu verteidigen. Längst haben die Peshmerga andere Aufgaben übernommen, generelle Sicherheitsfunktionen bis hin zur Regelung des Verkehrs. Auch seien einige Divisionen nach Bagdad abgezogen worden. Dass der kurdische Geheimdienst auf US-Geheiß künftig Informationen an Ankara liefern soll, wird allerdings mit Unbehagen aufgenommen. (Birgit Svensson aus Erbil/DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2007)