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Arsenal-Captain Tony Adams spielte bis zu seinem Karriere-Ende 2002 668 Partien für die Gunners.

Foto: REUTERS/ Dylan Martinez

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Mai 1998: Arsène Wenger und Adams nach dem Gewinn des FA Cup in Wembley. Arsenal besiegte Newcastle United 2:0 und holte das Double.

Foto: Reuters/Waldie

Tipp

Am Sonntag den 18.11. (17.45 Uhr) ist Nick Hornby im Literaturcafé im Rathaus zu Gast. Der britische Literatur-Superstar ("About a boy", "High Fidelity") verrät, was er vom Fußballspiel gelernt hat.

Seine Hommage an Arsenal London, "Fever Pitch", wird heuer im Rahmen der Aktion "Eine Stadt. Ein Buch" gratis in Wien verteilt - eine Einstimmung auf die Fußballeuropameisterschaft 2008. (red)

Buchcover: Kiwi

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Zur Person

Nick Hornby
, 1957 geboren, studierte in Cambridge und arbeitete zunächst als Lehrer. Mit seinen Romanen feierte er sensationelle Erfolge und gilt seitdem als Kultautor. "High Fidelity" wurde mit John Cusack und Iben Hjelje von Stephen Frears verfilmt und "About a Boy" mit Hugh Grant. Nick Hornby lebt in London.

Foto: APA/EPA/Arne Dedert
"I fell in love with football as I was later to fall in love with women: suddenly, inexplicably, uncritically, giving no thought to the pain or disuption it would bring with it." *

Fünfzehn Jahre ist es mittlerweile her, dass Nick Hornbys "Fever Pitch" erschienen ist. Einiges Wasser ist seither die Themse hinabgeströmt und viele Bälle haben Netze oder Tribünen gefunden. Der Fußball ist nicht mehr derselbe wie 1992, Arsenal FC, der Verein aus Nordlondon, mit dem Hornby eine so intensive Beziehung verbindet, ist nicht mehr derselbe, und Highbury, sein altes Stadion, existiert nicht mehr.

"Fever Pitch" ist ein Buch über das Fan-(Da)Sein, NICHT über Fußball. Eine wichtige Differenzierung, die klarzumachen Hornby nicht versäumt. Der Titel beinhaltet bereits das Moment des Deliriums, des Fieberschubs, das den jenseits des Rationalen befindlichen Bereich beschreibt, in den sich der Fan begibt. Im italienischen Begriff 'Tifoso', abgeleitet von 'Tifo' (Typhus), kommt der Verweis auf das Krankhafte noch unmittelbarer zum Ausdruck.

Um das Spiel an sich geht es nur indirekt. Es stellt die Bedingung der Möglichkeit des Anhängertums dar, bildet einen Bezugsrahmen und ein unerschöpfliches Reservoir, das für deren alltägliche Existenz unabdingbar ist. Hornby gelingt viel mehr als eine - immer kurzweilige - Beschreibung, denn er ist sich über die pathologischen Elemente seines Zustands durchaus im Klaren. Es gelingt ihm - nicht immer ohne Furcht - auf Distanz zu gehen und einen Analystenblick auf sich selbst zu wagen.

"The Arsenal pitch was to be our lawn; the Gunners' Fish Bar on Blackstock Road our kitchen; and the West Stand our home."

Die Lebenswelt eines Fans ist von jener des bloßen Sympathisanten, oder gar der eines Spielers völlig verschieden. Er erlebt anderes, er empfindet anderes, er verhält sich anders. Niemals wäre zum Beispiel ein Sympathisant in der Lage, sich an ein Tor zu erinnern, das vor 30 Jahren gefallen ist, dabei haarklein zu memorieren, wie alles passiert ist, wer was (falsch) gemacht oder wo gestanden hat, oder detailliert die Frisur des Goalies zu beschreiben, wie das Wetter war und der Boden am Spielfeld, was er sich vor Match in der Kantine gekauft hat - und natürlich: was er an diesem unendlich lange vergangenen Zeitpunkt gefühlt hat. Für Hornby ist das dagegen ein Leichtes. Vergangenheit und Gegenwart werden in solchen Momenten ununterscheidbar.

Ein Fan wiederum könnte seinen Verein niemals verlassen. Er würde den Ast absägen, auf dem er sitzt. Er wäre am Ende. Fußballer, die genau das tun, soll es dagegen schon gegeben haben. Seinen Klub kann er sich nicht aussuchen, zumindest nicht bewusst. Diese Dinge passieren. Durch nicht erklärbare Zufälligkeiten, kosmische Konstellationen oder Vererbung. Letzteres lange Zeit ausschließlich von Vätern auf Söhne. So war es auch bei Hornby. Er erzählt, wie der Fußball ihm als Kind ein Zusammensein mit seinem von der Familie getrennt lebenden Vater ermöglichte - und wie seine Schwester davon ausgeschlossen war. Mädchen oder Frauen im Stadion, das war 1969 nicht drin. Inzwischen haben sie das Spiel längst für sich entdeckt und ihren Platz auf den Rängen wie dem Feld erobert. Der Fußball ist weiblicher und überhaupt vielfältiger geworden. Das hat ihm alles andere als geschadet.

"I think we Arsenal fans know, deep down, that the football at Highbury has not often been pretty, and that therefore our reputation as the most boring team in the entire history of the universe ist not as mystifying as we pretend."

Die 1970er und besonders die 1980er Jahre, die in "Fever Pitch" den meisten Raum einnehmen, waren für Arsenal wie für den englischen Fußball überhaupt eine schwierige und zunehmend krisenhafte Epoche. Die Gunners waren in jämmerlichem Zustand, was Nick Hornby zwar wiederholt beklagt, in Wirklichkeit jedoch zu schätzen scheint. Denn schlechte Laune hält er für den natürlichen Zustand des Fans im Allgemeinen und jenes von Arsenal im Besonderen. War das Team ausnahmsweise einmal gut, begannen sich Verunsicherung und Desorientierung bei ihm einzuschleichen.

Schlimmer jedoch waren der Rassismus und die Gewalt, die sich in den veralteten Stadien ausbreiteten. Der Fußballbetrieb erwies sich als unfähig, diesen Herausforderungen zu begegnen. Erst von außen diktierte Reformen ließen den englischen Fußball wie einen Phoenix aus der Asche aufstehen. Eine Mischung aus drastisch erhöhten Sicherheitsstandards, Bewusstseinsbildung und Öffnung nach außen haben die Premier League zur aufregendsten und kommerziell erfolgreichsten Liga der Welt gemacht. Der Beginn dieser spektakulären Transformation vom Problemfall zum modernen Unterhaltungsprodukt wird in "Fever Pitch" noch thematisiert. Hornby erweist sich als Pragmatiker, der etwa den neuen Sitzplatzstadien äußerst positiv gegenübersteht. Der Abschied von den Stehplatz-Terrassen fiel ihm im Gegensatz zu vielen anderen Fans überhaupt nicht schwer.

"We are the Gunners, the Visigoths, with King Herod and the Sheriff of Nottingham as our twin centre halves, their arms in the air appealing for offside."

Und auch das alte langweilige Arsenal ist nicht mehr wiederzuerkennen. Seitdem der große Trainer-Reformer Herbert Chapman in den 1930er Jahren einen zusätzlichen dritten Verteidiger installierte, um so taktisch auf die die Sturmreihen bevorteilende Reform der Abseitsregel zu reagieren, hatte der Verein das Image fader Defensivkünstler weg. Hugo Meisl, der Vater des österreichischen "Wunderteams". war Freund und Bewunderer Champmans und wollte einige Elemente von dessen Zweckfußball auch seiner ein bisschen zu barock agierenden Truppe einimpfen. Und so lautete eine Trainingsvorgabe angeblich folgendermaßen: "Ausschießen, Flügel einsetzen, macht's kane Tanz, ka Scheiberl'gspiel."**

Arsène Wenger könnte dieser Vorgabe Meisls wohl nicht viel abgewinnen. Der Franzose kam 1996 nach London und drückte Arsenal seinen Stempel auf, wie vor ihm nur Champman. Dem unbedingten Offensivspiel verpflichtet, ist Fußball für Wenger eine Stilfrage. Siegen allein reicht nicht, seine Mannschaften müssen auch schön anzusehen sein.

Mit Wenger erreichte die neue Zeit auch Highbury. Er überzeugte die Spieler, dass die ideale Diät eines Profis nicht aus Bier (viel Bier) und Hamburgern besteht. Auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhende Trainingsmethoden und viele andere Innovationen veränderten den Verein vollständig. Ray Parlour meinte einmal über die langen Stretching-Sessions á là Wenger: "Es ist langweilig, aber ich kann jetzt meine Zehen berühren." Und sie verlängerten die Karrieren von alten Haudegen, wie dem grimmigen Innenverteidiger Tony Adams. Er verkörpert vielleicht wie kein anderer den Übergang vom alten zum neuen Arsenal. Adams, als Herodes so überzeugend wie als Sheriff von Nottingham, hatte kurz vor der Ankunft Wengers seine Alkoholkrankheit öffentlich gemacht. Nach erfolgreicher Therapie kam er zurück, wurde zum Kunstfreund und verbesserte im fortgeschrittenen Fußballer-Alter überdies auch noch sein Spiel deutlich.

"I have begun to suspect that my relationship is with Highbury, rather than with the team. (...) I am frightened that in the next game, the one after the one I have missed, I won't understand something that's going on, a chant or the crowd's antipathy to one of the players, and so the place I know best in the world, tho one spot outside my own home where I feel I belong absolutely and unquestionably, will have become alien to me."

In der Ära Wenger verließ Arsenal 2006 nach 93 Jahren Highbury, dessen Dimensionen die Ansprüche des Vereins längst gesprengt hatten. Nur 500 Meter die Straße hinunter errichtete der Verein das neue Emirates Stadium, an dessen architektonischer Ausgestaltung Wenger natürlich maßgeblich beteiligt war. Es ist das Manifest seiner Revolution, die bis dato drei Meisterschaften und vier Cupsiege eingebracht hat. Ja, Arsenal ist hip geworden. Und Nick Hornby müsste eigentlich gehörig verunsichert sein. (Michael Robausch, derStandard.at, 8.11.2007)

* Fever Pitch ist ein sehr englisches Buch. Ich habe mich daher entschlossen, die authentischen Zitate der Originalausgabe zu verwenden. Und wie User "Jerry Fletcher" im Forum richtig bemerkte: "hornby sollte man auf englisch lesen. da sieht man erst wie gut er ist!".

** Aus: Andreas Hafer/Wolfgang Hafer: Hugo Meisl oder die Erfindung des modernen Fußballs, Göttingen 2007