Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien – Drei versiegelte Kuverts und der erste Zeuge, der sich seiner Aussage entschlug, machten den 49. Tag des Bawag-Prozesses aus. Erster Zeuge am Donnerstag (die zweite Zeugin, Betriebsrätin und Aufsichtsrätin Brigitte Jakubovits, konnte sich an kaum etwas erinnern) war Harry Neubauer, Ex-Bawag-Anwalt und im Vorstand von Helmut Elsners Birdie-Stiftung und Stiftungen von Investor Martin Schlaff und Bruder aktiv. Er hat laut Elsner "mit dem Komplex hier nichts zu tun". Wie das der 63-Jährige selbst sieht, war nicht zu eruieren, denn er berief sich auf sein Entschlagungsrecht (steht Anwälten zu) – und war dahin.

Deponiert und 2006 wieder aufgetaucht

Infolgedessen wurde die Causa rund um die Dokumentation zur "Verarbeitung" der Verluste, die Elsner bei seiner Pensionierung (mit Wissen seiner Vorstandskollegen) 2003 in der Kanzlei Neubauer deponiert hatte und die erst im Jänner 2006 wieder auftauchten, zwischen Richterin, Staatsanwalt und Angeklagten alleine erörtert. In den Kuverts waren die Protokolle der geheimen Vorstandssitzungen ("Sonderprotokolle") und das "Geständnis Flöttls" (Ende 2000 hat er die Unibond-Verluste gestanden; er sagt, er sei unter Druck gesetzt worden). Adressaten der Kuverts waren neben Günter Weninger die diversen Vorstandsmitglieder, "ich hätte sie aber nur bekommen, wenn alle anderen gestorben wären", erwähnte Josef Schwarzecker. Die Frage des Tages: Warum haben die Angeklagten im Oktober 2005 den PSK-Vorstand (wie Stephan Koren) informiert, ihm, Ewald Nowotny sowie Koren und seinem Restrukturierungsteam, das versuchte, Licht in die Sache zu bringen, aber die erhellenden Protokolle vorenthalten? "Hat man dieses Material, ganz zentrale Beweismittel, die bei ihrem Auftauchen einen viel früheren Beginn des Verfahrens ermöglicht hätten, unter der Decke gehalten?", fragte Ankläger Georg Krakow. Und bekam erklärt, dass man damals ja mit Refco beschäftigt gewesen sei, "diese Zettel daher für mich nicht im Vordergrund gestanden sind" (Peter Nakowitz; Mitglied im Restrukturierungsteam), oder dass ja "keiner der von uns informierten Vorstandskollegen nach Unterlagen fragte" (alle Angeklagten). Einer der angesprochenen heutigen Bawag-Manager zum Standard: "Es wäre natürlich alles etwas schneller gegangen, wenn wir das Material gehabt hätten."

Als die Kuverts überreicht wurden

Ex-Aufsichtsratschef Weninger (er wusste von den weggesperrten Unterlagen) war dabei, als selbige wieder ihren Weg in die Bawag fanden. Am 17. Jänner 2006 sei er gerade bei Nowotny gewesen, als Neubauer die Kuverts überbrachte. Nowotny habe sie in sein Safe gesperrt; zehn Tage später landeten sie im Restrukturierungsteam. Nowotny zum Standard: "Ich habe das Team gleich informiert, wann die Übergabe der Papiere war, weiß ich nicht mehr." Im Gericht war man an diesem Punkt schnell in der Gegenwart und bei Nowotny angelangt. "Er war ja ab Mitte Jänner 2006 im Besitz der Unterlagen, sollte ich vielleicht bei Herrn Nowotny einbrechen gehen?", fragte Nakowitz. Wenige Sätze später war er bei der Erörterung, warum der Vorstand unter Nowotny den Bawag-Aufsichtsrat erst am 24. März 2006 informiert hat. "Der einzige, der für eine frühere Information gewesen ist, war Koren", sagte Nakowitz aus. Diesen Vergleich zwischen Niemals-Verständigung des Aufsichtsrats von den Verlusten ab 1998 durch die Angeklagten und der Jetztzeit lässt Nowotny so nicht gelten. "Das Restrukturierungsteam musste damals erst Puzzlesteinchen zusammentragen, unsere Ausgangsbasis war ja das Refco-Problem." Im März habe man dann ein Bild gehabt und den Aufsichtsrat informiert (damals ging es auch schon um die Bilanz 2005; Anm.).

Neubauers Reise

Dass die Unterlagen den Weg vom Anwaltssafe in die Bawag überhaupt fanden, dürfte laut Recherchen des Standard den US-Anwälten zuzuschreiben sein, die Ende 2005 in Wien recherchierten. Ihnen gegenüber wurde das brisante Material erwähnt und sodann angefordert. Mit Anwalt Neubauer (er beriet die Bank bei der Umgründung der Anteilsverwaltung Bawag) hatten die Banker Anfang 2006 viel zu tun. Damals mussten sie das Bawag-Vermögen sichern und brauchten dafür Zugriff auf Bawag-Stiftungen, deren Unterlagen bei Ex-Bawag-Treasurer und Ex-Refco-Manager Thomas Hackl in der Schweiz lagerten. Zu ihm reisten Weninger und Neubauer damals gemeinsam – aber das ist eine andere Geschichte und nicht Verfahrensgegenstand. (Renate Graber, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 9.11.2007)