Peck auf drei Ebenen: Das Traditionsgeschäft in der Via Spadari.

Foto: Peck
Wenn es denn ein Trost ist: Gewissermaßen handelt es sich um einen Verwandten. Der Herr Peck Francesco, der damals eher noch Frantisek hieß, kam nämlich 1883 aus Prag in die aufstrebende norditalienische Metropole, wo er sich niederließ, um die Mailänder mit "salumi e carni affumicate di tipo tedesco" (Wurstwaren und geräuchertes Fleisch auf deutsche Art) zu beglücken. Dürfte nicht so leicht gewesen sein, die Italiener sind ja bekanntlich kulinarische Chauvinisten. Haben sie sich angepasst, die Milanesi, oder doch der Frantisek? Gute Ausrede dafür, zum Kühlschrank zu pilgern zur wiederholten Erforschung der mitgebrachten klassischen Peck-Salame, nein, Deutsches, Österreichisches, Tschechisches schmeckt man da nicht mehr durch.

Das Geschäft war ja auch schon ab 1918 in genuin italienischer Hand, der nächste Besitzerwechsel ging 1956 vor sich, und der von 1970 brachte die jetzige Peck-Familie, die Gebrüder Stoppani, an die Spitze des Imperiums des guten Essens und Trinkens. Der Aufstieg auch in soziale Höhen - man belieferte unter anderem den Hof - begann noch unter Peck; der Umzug in die Via Spadari, wo man bis heute ist (mit Dependance in der benachbarten Victor Hugo: Dort ist das Peck-Restaurant, wo Carlo Cracco zwei Michelin-Sterne erkocht hat), und die Erweiterung des Sortiments übers Wurstige hinaus ging nach der Übernahme durch Eliseo Magnaghi 1918 vonstatten.

Ein Delikatessengeschäft, in dem Top-Produkte der eigenen Marke, Selbstgekochtes und frische Ware der obersten Qualitätsklasse verkauft wird. Schön, haben wir auch. Nein, haben wir eben nicht, auch wenn es eigentlich unbegreiflich ist, warum nicht. Der Peck ist ein Tempel und seine Angestellten Priester - die sich, da schau her, jedoch als Dienstleister gerieren. Und dann paart sich noch die kulinarische mit der sozialen Kompetenz. Sorgfältig säbelt der Signor Angelo die läppischen Kalbsschnitzel für die Bambini herunter, fragt die Signora und ihren begleitenden Ehemann, der rege Teilnahme an Schnitzerlgröße und -stärke zeigt, die Gesundheit der Familienmitglieder ab, bevor er sich mir zuwendet. So kochmäßig unbedarft schau ich doch gar nicht aus, aber der Herr Angelo nimmt Kuli und Zettel zur Hand und zeichnet auf, wie ich mit der erstandenen Fiorentina zu verfahren habe, auf das Grad und die Minute genau.

Gut, sie kostet 55 Euro das Kilo, und über den Trüffelpreis schweigt die Gentlefrau (und dann die Angst, dass vielleicht die Drogenhunde am Flughafen darauf anspringen!). In den Koffer wandern auch noch ein paar Sottoli, wobei die winzigen Artischocken ebenso blödsinnig teuer wie gut sind. Was noch? Prosciutto, Porcini in Öl eingelegt, Bottarga im Glas, Käse, Pasta - aber keine Pasta fresca, die Signora, die mich bedient, befindet kategorisch, das verdirbt im Flugzeug, da wäre es schad drum. Öl und Essig müssen am Flughafen erstanden werden, in den Koffer zum Aufgeben geht das ja nicht, und heutzutage dürfen nur am Flughafen erstandene Flüssigkeiten ins Handgepäck (wahrscheinlich ist Osama B. längst im Flughafenshop-Business).

Nun ist Österreich und Wien wirklich alles andere als ein kulinarisches Notstandsgebiet, aber der Neid könnte einen fressen, wenn man etwa die Qualität und Vielfalt und Präsentation der dargebotenen Take-away-Speisen sieht. Zumal wenn man, wie ich kürzlich, beim Meinl am Graben, an der recht ärmlichen Theke im Entree (sie sieht aus als wollte sich das Geschäft selbst davon distanzieren) etwas erstanden - und zu Hause stehen gelassen hat. Erinnerte irgendwie an die britische Kantine in Bagdad.

Mit dem Meinl am Graben, den die kulinarische Sammelleidenschaft, die ja für den Kunden durchaus vergnüglich ist, auszeichnet, ist das Peck-Konzept aber nicht zu vergleichen, schon eher ist das Schwarze Kameel ein sehr, sehr kleiner Bruder. Schon allein räumlich: Denn trotz der Konzentration auf eigene Produkte beansprucht das Geschäft in der Via Spadari jetzt drei Stockwerke mit 3300 Quadratmetern (inklusive Weinkeller). Nach einem Wochenende in Mailand ist man auch nicht mehr überrascht, dass Peck-Produkte ausgerechnet in Japan zu bekommen sind: in den Geschäften der Takashimaya-Kette. Eine neue Generation von japanischen Touristen hat Mailand erobert, Japaner, die anstelle des Fotoapparats das Prada-Sackerl in der Hand tragen. (Gudrun Harrer/Der Standard/RONDO/9.11.2007)