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Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Außenministerin Ursula Plassnik haben am Donnerstag einmal mehr den EU-Reformvertrag verteidigt, der die gescheiterte EU-Verfassung ersetzt.

Foto: Reuters/HEINZ-PETER BADER
Die Freiheitlichen rufen dazwischen und zur Volksabstimmung auf. Das BZÖ will das Volk befragen – zumindest in Kärnten. Eine Nationalratsdebatte der großen Gefühle.

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Wien – Wenigstens der Empfang war herzlich. Mit rot-weiß-rot und blau-gelb bemalten Wangen begrüßten Schüler die Abgeordneten vor dem Parlament. Und obwohl die Jugendlichen aus Mistelbach gekommen waren: Im Nationalrat war nicht Niederösterreich-, sondern Europatag.

„Wann fängt die Europa-Gschicht an?“, fragte einer der eher spärlich erschienen Abgeordneten, die zunächst Bundeskanzler Alfred Gusenbauers Ausführungen eine volle Fragestunde lang lauschten. Um zehn Uhr war es soweit: Die „Europa-Gschicht“ begann plangemäß mit einem euphorischen Kanzler, der nicht um Lob für die EU und ihren „unschätzbaren Vorteil für Österreich“ verlegen war. Natürlich gebe es „Wermutstropfen“, gestand der Kanzler ein, etwa das Opt-out – sprich die Ausstiegsklausel – von Großbritannien und Polen bei der Grundrechte-Charta.

Kontinuierlich begleitet von lautstarken Zwischenrufen der FPÖ war Gusenbauer bald bei der „Europa-Diskussion in Österreich, die nicht genügend wertet, was wir haben“. Polemisieren sei „nicht die richtige Antwort“, mahnte Gusenbauer, „sondern drüberfahren“, rief FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl dazwischen.

Koalition einig

Im Anschluss setzte Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP), leuchtend gelb kostümiert, nur optisch einen Kontrapunkt zum Kanzler. Sie lobte den Reformvertrag als „europäischen Quantensprung“ und betonte unter dem Raunen der FPÖ, „der Vorschlag einer gesamt-europäischen Volksabstimmung bleibt am Tisch“. Optimistisch sei sie auch, dass die Erweiterung der Schengen-Grenze von den östlichen Nachbarstaaten gemeistert werde. Nur die EU könne die „große europäische Teilung überwinden“, erinnerte sie an die Zeiten des Eisernen Vorhangs. Die große parlamentarische Teilung überwand sie damit nicht.

Als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, am Donnerstag eifrigster Zwischenredner, schließlich ans Podium kam, machte er der blauen Wut Luft: Gusenbauer und Plassnik erinnerten ihn an „Propaganda-Beauftragte der EU“. Der Reformvertrag sei bloß eine „Namenstäuschung“ der einst geplanten EU-Verfassung, erneuerte er die Forderung nach einer Volksabstimmung. Durch den Reformvertrag sei Österreich „kein souveräner Staat mehr“. Eine europaweite Abstimmung, die auch Gusenbauer und Plassnik begrüßen, lehnt er ab: Man könne nicht „Polen, Deutsche oder Franzosen über die Änderung der österreichischen Verfassung abstimmen lassen“.

Genau diese Haltung kritisierte Grünen-Chef Alexander Van der Bellen: 27 nationale Abstimmungen hieße „den Reformvertrag zum Scheitern bringen.“ Und das wisse Strache auch, so Van der Bellen.

Passend zur emotionalen Diskussion monierte Peter Westenthaler: Die EU sei „nicht in den Herzen der Österreicher“ angekommen. Der BZÖ-Chef interpretierte das Europa der Regionen auf seine Art und kündigte eine Volksbefragung in Kärnten an. (Lukas Kapeller/DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2007)