Der Schmiergeldskandal bei Siemens hat neue Dimensionen erreicht. Im Konzern seien dubiose Zahlungen von 1,3 Mrd. Euro ausgemacht worden, sagte Siemens-Chef Peter Löscher am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz in München. Die konzerninterne Untersuchung für die Jahre 2000 bis 2006 habe weitere 857 Mio. Euro dubioser Zahlungen ans Licht gebracht. Zusammen mit den bekannten Zahlungen von 449 Mio. Euro in der Sparte Com erhöht sich die Summe auf gut 1,3 Mrd. Euro. Löscher sagte, damit sei die interne Aufklärung des Skandals "weitgehend abgeschlossen". Der Skandal lastete auf den ansonsten glänzenden Zahlen für das vierte Quartal.

Folgen offen

Die 857 Mio. Euro betreffen die übrigen Konzern-Bereiche neben Com sowie die Siemens-Regionalgesellschaften. Die juristischen Folgen der neuen Veröffentlichung sind noch offen, es drohen aber Strafen sowohl durch die deutsche Justiz als auch durch die US-Börsenaufsicht SEC. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I sagte, bisher habe die Behörde keine Kenntnis über Summen über die bei Com geflossenen Schmiergelder hinaus. Die neuen Zahlen müssten darauf geprüft werden, ob es sich um strafrechtlich relevante Zahlungen handle. Im Zusammenhang mit Com hatte die Behörde gegen Siemens ein Bußgeld in Höhe von 201 Mio. Euro verhängt und die Ermittlungen eingestellt.

"Wir sind froh, dass wir damit wieder einen wichtigen Schritt bei der Aufarbeitung der Vergangenheit weitergekommen sind", sagte Löscher. Nach seinen Worten betreffen von den 857 Mio. Euro 599 Mio. Euro Deutschland und 258 Mio. Euro ausländische Siemens-Töchter.

Härte

Löscher - ein gebürtiger Kärntner - sagte weiter, Siemens werde hart mit Mitarbeitern umgehen, die gegen die internen Siemens-Verhaltensregeln verstoßen. Im vergangenen Geschäftsjahr seien 470 Mitarbeiter aufgefallen. Von diesen seien 14 Prozent Korruption oder Verstöße gegen das Kartellrecht nachgewiesen worden. Bei 24 Prozent habe Untreue oder Betrug vorgelegen. Bei den übrigen 62 Prozent habe es sich um andere Verstöße wie etwa gegen die Anti-Diskriminierungsrichtlinien gehalten. 30 Prozent dieser Mitarbeiter seien entlassen worden, acht Prozent bekamen Teile ihres Gehalts gestrichen. Die übrigen 62 Prozent seien verwarnt worden oder hätten eine Abmahnung erhalten.

Der Schmiergeldskandal hat demnach eine Dimension weit über Deutschland und die USA hinaus. So wird in China, Ungarn, Indonesien, Norwegen, Israel, Italien und Russland im Zusammenhang mit Siemens-Projekten wegen der Bestechung von Amtsträgern ermittelt. Die Aufklärung des Skandals kostete Siemens außerdem im am 30. September abgelaufenen Geschäftsjahr insgesamt 347 Mio. Euro für externe Berater, von denen allein 159 Mio. Euro im vierten Quartal flossen.

Ungeachtet des Skandals machte Siemens im vierten Quartal glänzende Geschäfte. Mit einem Plus von rund zwei Mrd. Euro präsentierte der Konzern im operativen Geschäft eines der besten Ergebnisse seiner Geschichte. Der Umsatz stieg um neun Prozent auf 20,2 Mrd. Euro, der Auftragseingang kletterte um 21 Prozent auf 21,33 Mrd. Euro. Unterm Strich machte Siemens aber wegen der Aufwendungen für den Schmiergeldskandal und Steuerbelastungen durch den Verkauf des Autozulieferers VDO ein kleines Minus von 74 Mio. Euro nach Steuern. Im gesamten Geschäftsjahr verdiente Siemens unter dem Strich rund 4,0 Mrd. Euro, 21 Prozent mehr als im vorherigen Geschäftsjahr. Der Umsatz stieg um 9,0 Prozent auf 72,4 Mrd. Euro.

"Wir gehen davon aus, dass unser Volumen prozentual doppelt so stark wachsen wird wie das weltweite Bruttoinlandsprodukt"

Löscher kündigte für das Geschäftsjahr 2008 ein weiter profitables Wachstum an. "Wir gehen davon aus, dass unser Volumen prozentual doppelt so stark wachsen wird wie das weltweite Bruttoinlandsprodukt", sagte Löscher. Im Dax gehörte Siemens angesichts der guten Zahlen mit einem Plus von 3,60 Prozent bis zum späten Vormittag zu den Gewinnern, der Kurs der Aktie kletterte auf 98,58 Euro.(APA)