München - Auf dem Weg zur Entwicklung wirksamerer Chemotherapeutika haben Münchner Forscher herausgefunden, wie ein bestimmtes Enzym Tumorzellen ermöglicht, sich trotz Chemotherapie weiterhin zu teilen. Das Enzym eta-Polymerase kann Schäden im Erbgut überwinden, die das Chemotherapeutikum Cisplatin hervorruft, wie die Professoren der Ludwig-Maximilians-Universität München, Thomas Carell und Karl-Peter Hopfner, im Fachjournal "Science" berichten.

In der gesunden Zelle kopieren die Polymerasen den Erbgutstrang (DNA), bevor sich die Zelle teilt. Die zwei Kopien werden dann auf die beiden Zellen verteilt. Der Chemotherapie-Wirkstoff Cisplatin, der bei verschiedenen bösartigen Tumoren eingesetzt wird, bindet sich an einen Erbgutsstrang und vernetzt zwei benachbarte Bausteine. Damit wird die Verdopplung des Erbgutstrangs verhindert, denn die Polymerasen können über die Quervernetzungen nicht hinweglesen. Folge: Die Tumorzellen können sich nicht teilen und sterben.

Notfall

Im Körper existiert jedoch mit der eta-Polymerase eine besondere Polymerase für den Notfall, um Zellteilung trotz einer beschädigten DNA zu ermöglichen. Die eta-Polymerase springt in manchen Fällen auch beim Einsatz von Chemotherapie ein - die Krebszellen vermehren sich trotzdem, der Tumor wächst weiter. Die Münchner Forscher konnten mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse die dreidimensionale Kristallstruktur des Enzyms zusammen mit den durch das Cisplatin vernetzten DNA-Bausteinen zeigen. An diesem Modell konnten sie demonstrieren, wie die eta-Polymerase das Erbmolekül auch über das Hindernis der Querverbindung hinweg kopieren kann. Dabei könne der Krebs unter Umständen sogar gefördert werden.

Möglicherweise lasse sich anhand der Ergebnisse leicht ein abgewandeltes Cisplatin entwickeln, das nicht mehr überlesen werden könne und damit keine Resistenzen mehr hervorrufe, erläuterte Carell. Weitere Untersuchungen sollen auch zeigen, wie die eta-Polymerase mit anderen Chemotherapeutika reagiert. (APA/dpa)