Tiflis – „Ihr habt frühere Präsidentschaftswahlen gewollt – jetzt habt ihr sie noch früher“. Michail Saakaschwili, der georgische Staatschef, überraschte einen Tag nach der Verhängung des Ausnahmezustands noch einmal. Mit den von November 2008 auf den 5. Jänner vorgezogenen Präsidentschaftswahlen versuchte Saakaschwili am Donnerstag, der internationalen Kritik wie der politischen Blockade im Land zu entkommen.
Ratlos und schockiert über den radikalen Schritt, mit dem die demokratischen Revolutionäre von einst regierungskritische Demonstrationen zu ersticken versuchten, hatte die Mehrheit der Menschen in der Hauptstadt Tiflis den ersten Tag des Ausnahmezustands wartend zu Hause verbracht.
"Wie in einem Gefängnis"
„Ich bin heute morgen aufgewacht und habe begriffen, dass wir zurück in den sowjetischen Zeiten sind. Ich habe den Fernseher eingeschaltet und es gab nur einen Sender, auf dem erklärt wurde, dass alles in Ordnung ist in Georgien und der Präsident den Ausnahmezustand verhängt hat, weil unser Land in „Gefahr“ sei (d.h. durch die Russen, wie sie immer behaupten). Ich fühle mich wie in einem Gefängnis.“
Am Tag eins des Ausnahmezustands in Georgien schrieben die Menschen E-Mails in das Ausland wie diese Studentin. In zunehmender Konfusion hatte die Regierung am Mittwochabend zunächst einen 48-stündigen Ausnahmezustand über Tiflis verlautbaren lassen. Dann korrigierte gegen Mitternacht der Wirtschaftsminister die Erklärung des Regierungschefs Surab Noghaideli und sprach von einem auf nunmehr 15 Tage festgelegten Notstand, der für das ganze Land gelte.
Zuvor war Saakaschwili im Fernsehen aufgetreten und hatte sich an die Bevölkerung gewandt. Der Präsident erwähnte den Ausnahmezustand mit keinem Wort, machte aber vor allem die russischen Regierung verantwortlich für Georgiens innenpolitische Spannungen. Die Vorhaltungen Saakaschwilis gipfelten in der Behauptung, in Moskau sei bereits eine „alternative“ georgische Regierung aufgestellt worden. Bis Jahresende sollte seine Regierung gestürzt werden, behauptete er.