Der republikanische Senator Jasper Irving hat TV-Journalistin Janine Roth exklusiv eine neue Strategie und sich selbst zu verkaufen: Tom Cruise und Meryl Streep in "Von Löwen und Lämmern / Lions for Lambs".

Foto: Centfox
Wien – Ein Exklusivinterview mit einem Politiker, der vielleicht schon bald der nächste Präsident der USA sein könnte – welche Journalistin würde sich das entgehen lassen? Janine Roth (Meryl Streep) sitzt nicht lange im Vorzimmer von Senator Jasper Irving (Tom Cruise), schon wird sie hineingewunken in das große, holzgetäfelte Zimmer.

Der Senator gehört der Republikanischen Partei an, in besseren Tagen hat auch er sich stolz mit George W. Bush fotografieren lassen. Nun aber möchte er sein eigenes Profil schärfen, und so kündigt er eine neue Strategie für Afghanistan an. Eine riskante Strategie, bei der kleine Voraustrupps in den Bergen abgesetzt werden, um von dort das unwegsame Gelände zu kontrollieren. Während Janine Roth noch ungläubig ihre Notizen macht, starten in Afghanistan schon die Hubschrauber.

"Von Löwen und Lämmern", der neue Film von Robert Redford, produziert von Tom Cruise und Paula Wagner mit der wiederbelebten Traditionsfirma United Artists, erzählt von einer Nation in der Krise. Seit dem 11. September 2001 befinden sich die USA in einem Krieg, und in den sechs Jahren, die seither vergangen sind, haben alle wichtigen Einflussträger entscheidende Fehler gemacht: die regierenden Politiker, in erster Linie natürlich der Präsident; aber auch die Medien, die vielfach ihre kritische Distanz aufgegeben haben und den Verlautbarungen der Regierung zu viel Glauben geschenkt haben; und die vielen gutsituierten Menschen, die sich zynisch von der Politik abgewandt oder mit simpler Verachtung für George W. Bush über den Mangel an Alternativen hinweggetäuscht haben.

Von diesen drei Gruppen erzählt Redford in gewohnt engagierter Weise. Im Zentrum stehen dabei zwei Studenten, die sich freiwillig zur Armee melden: der Hispanoamerikaner Ernest (Michael Peña) und der Afroamerikaner Arian (Derek Luke). Sie gehören in Afghanistan zu den Truppen, die auf einem schneebedeckten Felsvorsprung abgesetzt werden und dort in einen Hinterhalt geraten.

Der Verlauf dieser Kommandoaktion ist im Film dabei keineswegs das zentrale Motiv, im Gegenteil ist das Schicksal der beiden Soldaten Gegenstand für inneramerikanische Auseinandersetzung. Die nur in Grundzügen skizzierte und weitgehend im Studio gedrehte Afghanistan-Handlung kommentiert Redford durch zwei lange Gespräche, die in den USA stattfinden und immer wieder dazwischengeschnitten werden.

Das eine Gespräch führt der Senator mit der Reporterin – er versucht, seine Strategie zu verkaufen, während die Soldaten schon ihren Kopf dafür hinhalten müssen. Das andere Gespräch führt ein Professor für politische Wissenschaften in Kalifornien mit einem hochbegabten Studenten. Robert Redford spielt diesen Dr. Stephen Malley selbst, und er führt einen fast sokratischen Dialog über Ideale in der Demokratie. Er möchte den jungen Mann aus seiner Resignation reißen. Es geht um einen Patriotismus von links, das alte Thema liberaler Kräfte in den USA, die Schwierigkeiten haben, ihre differenzierten Ansichten zu nationaler Sicherheit und zu der geopolitischen Rolle des Landes dem breiten Volk zu vermitteln.

Diskurs in Aktion

Mit dieser Dramaturgie zwischen (sparsamer) Action und (ausuferndem) Diskurs ist "Von Löwen und Lämmern" kein Kriegsfilm im eigentlichen Sinn. Die Geschehnisse in Afghanistan bilden nur den Anlass für eine fast selbstquälerische Erforschung der politischen Situation der USA. Dabei stellt der Liberale Redford seiner eigenen Klasse kein gutes Zeugnis aus.

Die einzigen Helden sind die beiden Soldaten, die Ernst machen mit der Rede vom "Engagement" der USA in der Welt. An einigen Stellen fällt sogar das heikle Wort von der Wehrpflicht ("draft"), die vielleicht den allgemeinen Bürgersinn wiederherstellen könnte, der verlorengegangen ist, seit der Krieg zunehmend privatisiert wird.

Als Redford vor wenigen Tagen in Berlin mit Joschka Fischer und dem Historiker Heinrich August Winkler über "Von Löwen und Lämmern" diskutierte, war das Interesse groß. Es wurde aber auch deutlich, dass das analytische Niveau durch den Film nicht gehoben wird. Im Gegenteil, die Phrasen, zu denen sich der Regisseur wie der nun als Weltdeuter auftretende Fischer flüchteten, sind in den Dialogen von Matthew Michael Carnahan schon vorformuliert.

Die einzige Figur, die im Film nicht vollständig in Rhetorik aufgeht, ist die Journalistin, die für ein großes TV-Network arbeitet, den Senator aber mit Papier und Bleistift aufsucht und nach dem Gespräch gründlich verstört ist.

Nicht alles scheint wirklich zu Ende gedacht in diesem merkwürdigen, selbstquälerischen Film, der keine Lösungen anbietet, sondern dann, wenn er nicht weiterweiß, auf das gleiche Helden- und Opferpathos zurückgreift, das auch die Politiker immer wieder für ihre Manipulation der öffentlichen Meinung nutzen.

Aber als Dokument des Zweifels und als Experiment mit dem Kriegsfilmgenre ist Von Löwen und Lämmern dann doch von einigem Interesse. (Bert Rebhandl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.11.2007)