Wenn die SPÖ weiter von Erfolg zu Erfolg eilt, wie sie das seit der Eroberung des Bundeskanzleramtes vor einem Jahr tut, dann ist mit der Einführung der sozialistischen Gesellschaft in Österreich wohl noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen. Einer sozialistischen Gesellschaft, selbstverständlich in der von Wolfgang Schüssel zugelassenen und von Wilhelm Molterer mit der ihm allmählich anwachsenden Phraseologie als Erfolg seiner Partei gefeierten Form. In Sandkistenträumereien wird besagte Gesellschaft zweifellos noch etwas anders ausgesehen haben, aber das Sein bestimmt das Bewusstsein - da fährt die von Mediator Faymann beschleunigte Eisenbahn drüber -, und wenn einem einmal die Schneid zum Sein abgekauft ist, dann muss sich halt auch das Bewusstsein in den Umschlag in Bewusstlosigkeit schicken.

Allmählich wirkt der dialektische Bauchaufschwung, jedesmal, wenn sich der Verein der Feinde des Bundeskanzlers durchgesetzt hat, von einem Erfolg sozialdemokratischer Beharrlichkeit zu sprechen, allzu gequält und daher ermüdend - dabei halten wir erst am Beginn des zweiten Jahres dieser Koalition. Als der Bundesgeschäftsführer der SPÖ am Wochenende die "gemeinsamen Erfolge" der Koalition pries, konnte man noch an eine der zahlreichen Skurrilitäten glauben, wie sie Amtsträgern dieses Ranges gelegentlich entschlüpfen. Dabei wusste Kuschel-Joe Kalina zu dieser Zeit noch gar nichts von dem Riesenerfolg, der seiner Partei ein paar Tage später mit der Neuen Mittelschule aufs Auge gedrückt werden sollte.

So durchschlagend war er, dass selbst sozialdemokratische Lehrer erwägen, dagegen den Verfassungsgerichtshof anzurufen, und feststellen, mit der Regelung der Mitbestimmung habe man die politische Verantwortung abgegeben. Das trifft den Kern, auch wenn man es anders formulieren könnte: Die SPÖ ließ sich die Verantwortung für etwas zuschieben, was die ÖVP unbedingt durchsetzen wollte, und muss es nun als "gemeinsamen Erfolg" ausgeben.

Wenn Gusenbauer - in der Kleinen Zeitung - meinte, Bildungspolitik soll kein ideologischer Kampf sein, tut er so, als wüsste er nicht, dass zur Einlösung einer solchen Forderung zwei gehören, und er bestätigt, dass die SPÖ die ideologische Walstatt hinhaltend kampflos der ÖVP überlassen hat. Allmählich bekommt sie darin richtig Übung. Dass alle Kinder dieses Landes, unabhängig von den materiellen und intellektuellen Möglichkeiten ihres Elternhauses gleiche Bildungschancen haben sollen, ist selbstverständlich (auch) eine weltanschauliche Frage, und die Erbitterung, mit der die ÖVP-Spitze gegen die Erfahrungen in den meisten Ländern Europas und gegen alle pädagogischen Erkenntnisse der Gegenwart für die Beibehaltung von Bildungsprivilegien kämpft, zeigt, dass ihr ideologische Naivität erfrischend fremd ist. Nach sechs Jahren Kanzler Schüssel könnte man das schon wissen.

In ihrer Frustration glauben nun offenbar manche in der SPÖ, wenn sie schon nicht den Esel hauen können, ohne den Kanzler zu gefährden, dann wenigstens den Sack. Den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes als inkompetenten, unkorrekten Wirtshausdiskutierer zu beschimpfen, weil er ein schludriges Fremdenrecht kritisiert, dem die SPÖ in einer populistischen Anwandlung zugestimmt hat und das sie trotz eingestandener Fehler prolongiert, ist kein Ruhmesblatt, das sich in politischen Lorbeer verwandeln lässt. Dass hier im Nachhinein die Drecksarbeit der schwarz-blauen Koalition an einem Höchstrichter finalisiert wird, ist eine peinlich-dürftige Ersatzhandlung für einen ebenso peinlichen Mangel an Durchsetzungskraft. (Günter Traxler/DER STANDARD-Printausgabe, 9.November 2007)