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Irgendwann ist dann König Juan Carlos der Kragen geplatzt. Niemand unterbricht den Monarchen, wenn er gerade mit seinem Premier José Luis Rodríguez Zapatero spricht:„Warum hältst Du nicht einfach den Mund?“ Die Szene war auf internen Fernsehbildern im Gebäude des Gipfeltreffens in Santiago de Chile zu sehen.

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Ein vorwurfsvoller Blick, ein wütender Monarch und die Frage: Wer hat wohl angefangen?

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Doch nach ein paar beruhigenden Worten, schien alles wieder gut.

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Mit einer Verbalattacke auf den spanischen Ex-Premier José María Aznar provozierte Venezuelas Präsident Hugo Chávez auf dem Iberoamerika-Gipfel in Santiago de Chile eine scharfe Reaktion von Spaniens König Juan Carlos.

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Santiago/Caracas – Zum Abschluss des Iberoamerika-Treffens von 22 Staats- und Regierungschefs in Santiago de Chile bezeichnete Venezuelas linksnationalistischer Präsident Hugo Chávez am Samstag den konservativen spanischen Ex-Ministerpräsidenten José María Aznar als Faschisten und warf ihm und spanischen Unternehmern vor, 2002 einen Putsch gegen ihn unterstützt zu haben.

Als der amtierende spanische Premier José Luis Rodriguez Zapatero Respekt für den demokratisch gewählte Regierungschefs anmahnte und ihn aufforderte, derart beleidigende Wertungen zu unterlassen, unterbrach ihn Chávez wiederholt. Daraufhin griff sichtlich entnervt der spanische König Juan Carlos I. ein: „Porqué no te callas?“, rief er dem venezolanischen Staatschef zu. Auf deutsch: „Warum hältst du nicht den Mund?“. Die gastgebende Präsidentin Michelle Bachelet mahnte die Kontrahenten zur Ruhe. Als dann der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega ebenfalls die Spanier als kolonialistische Ausbeuter brandmarkte, verließ der König den Saal und kehrte erst nach einem Gespräch mit der ihm nacheilenden Bachelet zurück.

Chávez liebt Provokationen. Seine Rede vor der UN-Vollversammlung im vorigen Jahr, in der er US-Präsident George W. Bush mit dem Teufel verglich, ging in die Geschichte ein. Bekannt ist er auch für seine langen Reden – in Santiago sprach er 25 statt der vorgegebenen fünf Minuten und zog dabei missmutige Blicke auf sich. In seiner Rede stellte er außerdem das Arbeitsthema des Gipfels – „Soziale Kohäsion“ – infrage. Etwas, das im Innern verfault sei, könne nicht gekittet werden, sagte er unter Anspielung auf die tiefen sozialen Gegensätze in Lateinamerika. Er bevorzuge daher den Begriff „sozialer Wandel, der zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt“. Unterstützung erhielt Chávez von Bolivien, Kuba und Nicaragua.

Die Repräsentanten dieser vier Länder nahmen am Samstagabend an einem von linken Organisationen veranstalteten Gegengipfel teil. Höhepunkt war ein Telefonanruf von Kubas krankem Staatschef Fidel Castro, der die Anwesenden solidarisch grüßte.

Analytiker sehen Chávez’ provokanten Auftritt in Zusammenhang mit der von ihm angestrebten, umstrittenen Verfassungsänderung. Seit Tagen gibt es in Venezuela Proteste gegen das von der bürgerlichen Opposition als autoritär eingestufte Projekt, mit dem sich Chávez die Möglichkeit einer unbegrenzten Wiederwahl sichern will.

Hintergrund ist ein latenter Konflikt zwischen den Linkspopulisten Lateinamerikas unter der Führung von Chávez und den Sozialdemokraten um Bachelet und Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva über den besten Weg der Armutsbekämpfung. Chile hat seit Ende der Diktatur 1990 den Bevölkerungsanteil unterhalb der Armutsgrenze von 50 auf 18 Prozent reduziert, Chávez in acht Jahren Amtszeit von 42 auf 24 Prozent.

Verabschiedet wurde auf dem Gipfel ein von Spanien finanzierter Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro, um die Versorgung mit Trinkwasser zu verbessern. Außerdem sollen die Sozialversicherungssysteme einander angeglichen werden, damit beispielsweise in einem Land erworbene Rentenansprüche bei einem Umzug nicht verlorengehen. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2007)