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Gegen die Teilung Belgiens: In Brüssel wehen seit Wochen unzählige belgische Fahnen.

Foto: Reuters/Lenoir
Statt als Premierminister seinem Land zu dienen, steht Yves Leterme zum Verkauf: 24 Gebote bis zu 465 Euro gingen beim Online-Auktionshaus Ebay für den „nicht gebrauchten Premierminister“ am Donnerstag und Freitag ein. Vor einem halben Jahr hatte der flämische Christdemokrat die Parlamentswahlen gewonnen, doch den Auftrag von König Albert II. zur Regierungsbildung konnte er bisher nicht erfüllen. Die niederländisch sprechenden Flamen können sich mit den französischsprachigen Wallonen auf kein gemeinsames Regierungsprogramm einigen: Die Flamen wollen eine Staatsreform mit weitgehenden Freiheiten für ihre Region, während die Wallonen die Bundesregierung in Brüssel stärken wollen.

Hinter dem Streit stehen auch handfeste finanzielle Interessen: Rund zehn Milliarden Euro werden jährlich vom wirtschaftlich prosperierenden flämischen Norden in den krisengeschüttelten wallonischen Süden geschickt, und immer öfter fordern flämische Politiker eine Teilung des Landes. Vor dem Abbruch stehen die Regierungsverhandlungen nun durch den Streit um das Wahlrecht in der Hauptstadtregion Brüssel-Halle-Vilvoorde.

Wahrend Flamen und Wallonen ihre eigenen Wahlkreise haben und getrennt wählen, hat Brüssel einen Sonderstatus: Obwohl in Flandern gelegen, hatten die Wallonen bisher das Recht, auch hier frankophone Listen aufzustellen. Dieses Recht sprachen ihnen die Flamen nun im Parlament einseitig ab, betroffen sind von dem Beschluss bis zu 150.000 französischsprachige Belgier. Die in der Minderheit befindlichen Wallonen boykottierten die Wahl. Zwar haben sie darauf hin nicht wie befürchtet die Regierungsverhandlungen sofort abgebrochen, doch scheint eine rasche Einigung durch den „Kampf um Brüssel“, wie ihn belgische Medien nennen, ausgeschlossen.

König Albert II. drängt trotz der Konfrontation weiter auf eine rasche Regierungsbildung. In einer Erklärung des Palastes hieß es: „Eine rasche Regierungsbildung ist zum Guten für alle Bürger unseres Landes, für die Glaubwürdigkeit Belgiens und seiner notwendigen Einheit.“

"Der Anfang der Zerschlagung Belgiens"

Yves Leterme versucht, eine bürgerlich-liberale Allianz zu schmieden. Viele Belgier glauben angesichts der aktuellen Staatskrise an das nahende Ende ihres Königreichs. Das meldete der öffentliche Rundfunksender RTBF am Donnerstag nach der Befragung von 752 frankophonen Bürgern. 43 Prozent der Befragten meinten demnach, der Beschluss im Innenausschuss des Parlaments zur Teilung des Wahlbezirks von Brüssel und Umgebung sei „der Anfang der Zerschlagung Belgiens“. Seit dem Eklat ist eine neue Variante ins Spiel gekommen: Ein „Notkabinett“ unter Leterme könnte sich rein auf soziale und wirtschaftliche Belange konzentrieren und so doch noch einen Ausweg aus der Krise ermöglichen. Dafür plädieren etwa führende Politiker der wallonischen Liberalen (MR) von Finanzminister Didier Reynders, der auch EU-Kommissar Louis Michel angehört.(Von Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11. 11.2007)