Foto: Christian Fischer
Das Bild vom Juli 1962, selbst be-reits in altmodischen Farben, ist keine schlechte Wahl für den Umschlag eines Riesenziegels über Berlin. Porträt einer Stadt.

Aber doch untypisch, zumindest für den Taschen Verlag, der gerne vordergründig anlockt. Wahrscheinlich war die Wahl zwischen den vielen spektakulären Sujets auf fast 700 Seiten zu schwer gefallen. Soll man sich für Geschichte entscheiden, etwa prächtige Aufmärsche aus der Kaiserzeit oder Collagen aus den Zwanzigerjahren? Soll die Hauptstadt des Dritten Reichs aufs Cover? (Doch wohl eher nicht.) Soll man dem Sohn der Stadt Helmut Newton die Ehre geben, dem Mauerfall, dem verpackten Reichstag, der Architektenleistungsschau am neuen Potsdamer Platz? So ist man eben dabei geblieben, ein Stück Straßenalltag am Rande einer globalen Fast-Katastrophe, des Mauerbaus, als Teil des Ganzen zu nehmen.

Der Inhalt jedenfalls gibt genug her für eine opulente Hommage "directed and pro- duced by Benedikt Taschen". Wohl nicht zufällig sind denn auch Standfotos von Berlin- Filmen enthalten, hauptsächlich aber füllen unzählige Arbeiten, von Anonym bis zu Magnum-Profis, die fünf Abschnitte zur Geschichte der Stadt von ca. 1860 bis heute. Die jeweiligen Einleitungstexte sind so knapp, dass sie auch ein Coffeetable- Motivierter lesen wird, zumal er die Auswahl aus drei Sprachen hat. Die Bildregie schreckt nicht vor drolligen Gegenüberstellungen zurück - BMW Isetta vs. Kinderwagen, Ostberliner Bruchbude vs. Westberliner Super- betrieb. Sie lässt aber auch ge-nügend Spielraum für jeden, sich sein eigenes Berlin-Bild zu zimmern oder (n)ostalgisch Revue passieren zu lassen. Ein beachtlicher Fundus jedenfalls zu einem guten Preis, und brauchbare biografische Abrisse der Fotografen am Schluss. (mf, ALBUM/DER STANDARD/Printausgabe, 10./11.11.2007)