Vitales Misstrauen gegen vermeintliche Wohltats-Mäzene: A. Zembaty.

Foto: www.neustart.at
Manche Dinge sollte man nicht laut sagen. Weil man so Menschen vergrault, von denen man etwas braucht. Geld etwa. Deshalb, weiß Andreas Zembaty, gehört es sich für Organisationen, die Geld für Gutes brauchen, nicht, laut über jene Finanzakquisemethode zu räsonieren, die immer wichtiger und präsenter wird: Charity-Events.

Obwohl es, betont der Sprecher von "Neustart" (früher: Bewährungshilfe, jetzt auch mit Opferhilfe betraut) da eine Menge gibt, was in der NGO-, Sozialarbeits- oder NPO-Szene beseufzt und beklagt wird. Meist aber nur hinter vorgehaltener Hand: "Charitys", so Zembaty, "sind ein politisches Armutszeugnis. Sie werden von der Politik als Ausfallshaftung missbraucht und sind Symbol für der Reprivatisierung staatlicher Verantwortung für Schwache. Sie unterlaufen die Verantwortung der öffentlichen Hand für Menschen, die Hilfe brauchen."

Bilder-Welt

Zembaty weiß, dass er mit solchen Aussagen nicht viel Kapital verspielen kann: Haftentlassene sehen selten aus wie - zum Beispiel - das Flüchtlingsmädchen Arigona. Und in einer Bilder-Welt bekommt öffentlich zelebriertes Mitgefühl eine immer stärkere ästhetische Komponente. Zusätzlich zur Moral: "Für uns ist mit Charity-Events nichts zu holen: Für Täter spendet man sowieso nicht. Aber auch für Opfer gibt man nicht gerne. Das 'Die Frau wird den Vergewaltiger schon auch provoziert haben'-Klischee ist in vielen Köpfen noch sehr präsent."

Doch auch wer (optisch) als "garantiert unschuldig" zertifizierte Bedürftige vorweisen kann, schnorrt nicht sorgenfrei: Wer auf Charity-Events angewiesen ist, weiß Zembaty, ist erpressbar. Und das nutzen längst nicht nur gewinnorientiert agierende Unternehmen schamlos aus: "Es ist längst gang und gäbe, dass man aus Ministerbüros hört: Subventionen gib es keine. Aber der Minister braucht Positiv-PR: Machts einen Event mit unserem Mann, dann gibt es einen Scheck." Oder aber die Politik redet sich auf Groß-Wohltäter aus: "Im Behindertenbereich kommt immer öfter: ,Ihr werdet von "Licht ins Dunkel" ohnehin bedient - was wollt ihr von uns?'"

Die Hilfe der ORF-Geldsammelmaschine sei zwar "gut und wichtig", dennoch will Zembaty "darauf hinweisen dürfen, dass das Sammeln für alle, die nicht mit Rehaugen- und Kinderleid im TV Dauerpräsenz genießen, immens schwerer wurde."

Eliten & Seitenblicke

Darüber hinaus betont Zembaty sein "generelles, vitales Misstrauen" gegen Veranstaltungen, "bei denen Eliten unter sich bleiben und teuer dinieren, um sich dann als Mäzene der Menschlichkeit feiern zu lassen."

Freilich, so der Sozialarbeiter, gelte es auch eines zu betonen: Viele, die die Verseitenblickisierung des Gutseins gerne laut beklagen, hätten allen Grund, zuerst einmal vor der eigenen Türe zu kehren: "Mit Nicht-Rehaugen-Themen ist auch bei den sich sonst gerne liberal gebenden, jungen urbanen Bildungsschichten gar nichts zu holen - unsere Spenden kommen von den über 60-Jährigen aus der A-Schicht. Oder aus Pfarren. Und zwar ausnahmslos." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.11.2007)