Gerda Seibert: "In Österreich wäre ein solcher Konflikt vielleicht nicht so eskaliert."

Foto: GDL
"Wir sind flexibel. Der Bahnvorstand muss sich einfach nur mit uns in Verhandlungen begeben." Wenn Gerda Seibert im deutschen Fernsehen erklärt, welche Bahnstreiks wo und wann auf die Bundesbürger zukommen könnten, dann sagt die Sprecherin der Lokführergewerkschaft (GDL) dies in so reinem Hochdeutsch, dass man sie glatt für eine Hannoveranerin hält. Doch fünf Minuten später, am Telefon, klingt Seibert gänzlich oberösterreichisch: "Jo, griaß Ihna, I suach Ihna des außa und ruaf Sie glei z'ruck."

Dieses "permanente Um-switchen" sei nach mehr als zwei Jahrzehnten in Deutschland "völlig automatisiert", sagt die 44-Jährige zum Standard. Privat und mit Österreichern spricht sie immer noch "oberösterreichisch", mit den Deutschen hingegen "lieber hochdeutsch, sonst verstehen sie einen ja nicht".

Erklären und Verteidigen muss Seibert zurzeit wie kein zweiter Kommunikationschef eines deutschen Unternehmens. Seit die Lokführer streiken geht es in deren Frankfurter Gewerkschaftszentrale zu wie am Hauptbahnhof bei gleichzeitiger Ankunft mehrerer ICE. "Nie und nimmer" hat sich Seibert vorstellen können, so viel Medienwirbel zu haben, als sie 1999 bei der GDL als Sprecherin begann.

Nach der Matura im oberösterreichischen Steyr geht sie zunächst mit ihrem Mann ins hessische Darmstadt und studiert dort Wirtschafts-, Politik- und Rechtswissenschaften. Es folgt das Volontariat in einer PR-Agentur und dann der Job bei der GDL. Dort erlebt die Steyrerin den Kampf David gegen Goliath auch in ihrer Abteilung. Während die Deutsche Bahn mit bezahlten Zeitungsanzeigen für ihre Position wirbt, hat Seibert dafür "weder das Geld noch die Manpower". Mit nur einem Kollegen und einer Halbtagssekretärin erledigt sie ihre Arbeit und ist froh, dass Journalistenanfragen "ganz normal und gar nicht giftig sind". Zu beneiden ist sie derzeit dennoch nicht: Schließlich gilt es nicht allein "alle Fakten richtig darzustellen", sondern auch "die Sympathie der Bevölkerung nicht zu verlieren".

Ihr selbst hilft als Ausgleich das Joggen. Kaum Zeit bleibt Seibert im Moment für ihre österreichische Küche, mit der sie manch kulinarische Frechheit in Frankfurt ausbügelt: "Es gibt hier ja keine guten Torten. Im Kaffeehaus setzen sie dir einen Schokokuchen vor und nennen das 'Sachertorte'." Einen Schuss der österreichischen Gemütlichkeit wünscht sich Seibert für die harten Tarifverhandlungen zwischen Lokführern und Bahn. "In Österreich wäre ein solcher Konflikt vielleicht nicht so eskaliert", sagt sie. Dass es hier ein wenig ruhiger zugeht, merkt sie, wenn sie ihren Sohn besucht, der in Wien studiert. Bei aller Loyalität zu den Lokführern - hierher fährt sie nicht mit dem Zug, sondern nimmt das Flugzeug. (Birgit Baumann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.11.2007)