"Wir konnten uns nicht wegducken", sagt Fischer über die Teilnahme der Deutschen am Kosovo-Krieg.

Foto: Robert Newald
Das Verhältnis zu Gerhard Schröder war oft mühsam, das zu seiner pazifistischen Grünen Partei sowieso. Bei einer Standard-Diskussion erinnert sich der deutsche Ex-Außenminister Joschka Fischer an die schwierigen rot-grünen Jahre und an Selbstzweifel beim Rasieren.

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Möglicherweise müssen eines Tages die Geschichtsbücher neu geschrieben werden, weil der Wolfgangsee doch eine größere Rolle spielte, als Rot-Grün 1998 in Deutschland an die Macht kam. „Nichts gegen den Wolfgangsee, aber wir konnten die Ferienbilder von Helmut Kohl und seiner Frau nicht mehr sehen“ – so beschreibt Joschka Fischer am Freitagabend bei einer von Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid in der Aula der Wissenschaften geleiteten Diskussion die Wechselstimmung, die den deutschen Grünen und ihm zum ersten Regierungsamt verhalf. Als es dann im September 1998 so weit war, „hatte ich ganz schön Muffensausen“, bekennt Fischer bei der Österreich-Präsentation seiner Autobiografie (Die rot-grünen Jahre – Deutsche Außenpolitik vom Kosovo bis zum Irak, Verlag Kiepenheuer & Witsch). Denn schließlich ging es damals um die Frage: „Kann man den grünen ‚Chaoten‘ die Führung der Bundesrepublik anvertrauen?“

Leicht hatten es der damalige kleinere Koalitionspartner schon vor der Regierungsbildung nicht. Schließlich stellte Schröder schon damals klar, dass er „der Koch“ sei und Fischer bloß „der Kellner“. Damit habe ihn Schröder „ohne jede Deckung am Glaskinn getroffen“ muss Fischer noch neun Jahre später eingestehen. Und erst jüngst hat der ehemalige Außenminister schier Unglaubliches erfahren: „Schröder kann gar nicht kochen.“

Zusammengeschweißt

Doch die schwierige erste Zeit in der Regierung hat Schröder und seinen Grünen Vize Fischer zusammengeschweißt: „Wir hatten die EU-Präsidentschaft, dann lief Lafontaine (Ex-SPD-Chef und Finanzminister, Anm.) davon und schließlich kam noch der Kosovo-Krieg.“ Letzteres sei „für die Grünen Partei ein Albtraum“ gewesen, erinnert sich Fischer. Als Fischer gefragt wird, warum ausgerechnet er, ein 68er, die Grüne Partei in einen Krieg führen musste, überrascht Fischer mit seiner Ansage: „Ich war ja nie ein Pazifist, schon gar nicht 1968“ – eine Anspielung an jene Zeit, als er in seiner Frankfurter Sponti-Zeit auch schon mal zu Pflastersteinen griff. Eigentlich habe ihn, den 1948 Geborenen, immer „der Schatten des 2. Weltkriegs tief beeinflusst“. Und eigentlich habe für ihn immer das Motto gegolten: „Nie wieder Krieg, nie wieder Völkermord.“

Doch dann, oft beim Rasieren in der Früh, habe er sich angesichts der Zustände auf dem Balkan gefragt: „Kannst du das alles vor dir rechtferigen?“ Dass „in Sarajewo Menschen abgeschlachtet werden wie die Hasen“. Nein, man könne sich wegducken, beschloss Fischer damals – und die rot-grüne Regierung schickte deutsche Soldaten auf den Balkan. Auch wenn dies eine Zerreißprobe für die Grünen war, ist Fischer überzeugt, richtig gehandelt zu haben: „Wenn man sich darum bewirbt, ein Land zu führen, dann muss man sich dem auch stellen. Man kann sich die Umstände nicht einfach aussuchen.“ (Birgit Baumann, DER STANDARD, Printausgabe 10./11.11.2007)