Beirut - Vor dem Hintergrund intensiver diplomatischer Kontakte ist die Wahl des neuen libanesischen Staatspräsidenten zum dritten Mal verschoben worden, um weitere Verhandlungen zwischen den verfeindeten politischen Lagern über einen Kompromisskandidaten zu ermöglichen. Statt am Montag sollen die Abgeordneten nun am 21. November zusammentreten, um den Nachfolger des drei Tage später aus dem Amt scheidenden Staatspräsidenten Emile Lahoud zu küren. Der zur Opposition gehörende schiitische Parlamentsvorsitzende Nabih Berri erklärte am Samstagabend in Beirut: "Wir müssen zu einer Einigung gelangen und einen Präsidenten wählen, der die Einheit der Republik verkörpert".

Berris Entscheidung, die Wahl um zehn Tage zu verschieben, wurde in allen Lagern begrüßt. Am 25. September und am 23. Oktober war die Wahl nicht zustande gekommen, weil das erforderliche Zwei-Drittel-Quorum der 128 Parlamentsmitglieder nicht erreicht wurde. Die Außenminister Frankreichs und Italiens, Bernard Kouchner und Massimo D'Alema, werden Anfang der Woche in Beirut erwartet. Zuletzt hatten sie sich im Oktober gemeinsam mit ihrem spanischen Kollegen Miguel Angel Moratinos als Vermittler zwischen dem pro-westlichen Regierungslager und der von Syrien unterstützten Opposition einzuschalten versucht.

Kouchner auf diplomatischer Blitzmission

Mit einer diplomatischen Blitzmission bemüht sich Frankreich um die Entschärfung der politischen Krise im Libanon. Außenminister Bernard Kouchner werde noch am Montag von Berlin nach Beirut reisen, um zwischen den zerstrittenen Fraktionen bei der Suche nach einem Präsidentschaftskandidaten zu vermitteln, teilte sein Ministerium mit.

Kouchner werde 24 Stunden im Libanon bleiben und unter anderem mit Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir zusammenkommen, dem Präsidenten der Maroniten, sagte ein Außenamtssprecher in Paris.

Schiedsrichterrolle

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat im Einvernehmen mit den USA den maronitischen Patriarchen, Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir, ersucht, eine Schiedsrichterrolle zu übernehmen. Der Patriarch solle eine Liste von konsensfähigen Persönlichkeiten erstellen. Sarkozys Botschaft sei dem Patriarchen durch Élysée-Generalsekretär Claude Guéant persönlich überbracht worden, berichtete am Samstag die Beiruter Tageszeitung "L'Orient-Le Jour". Der libanesische Präsident ist aufgrund des Religionsproporzes maronitischer Christ. Auf der Basis einer solchen Liste sollten der Chef der Mehrheitskoalition, Saad Hariri, und Parlamentspräsident Berri eine Auswahl treffen, heißt es in dem Bericht. Gueant war in Beirut mit den beiden Politikern und auch mit Ministerpräsident Fouad Siniora zusammengetroffen. Das Patriarchat verlange ausreichende Garantien, um mit "dem Spiel der Namen" beginnen zu können, schrieb die Zeitung.

Die USA haben unterdessen Syrien vor Einmischungsversuchen gewarnt. Der für den Nahen Osten zuständige Vize-Außenminister David Welch sagte vor einem Kongressausschuss, Washington sei entschlossen, die anti-syrische Mehrheit in Beirut "mit allen Mitteln" zu unterstützen. "Das ist die Stunde der Wahrheit für den Libanon!", betonte Welch, der hinzufügte: "Wir werden alle Mittel einsetzen, um diejenigen zu unterstützen, die eine anständige, gerechte, transparente, verfassungsmäßige Wahl wollen." Die USA wünschten, dass der Libanon einen Präsidenten bekomme, der "die Unabhängigkeit und Souveränität seines Landes zu verteidigen" imstande sei, sagte Welch. Das sei "das Mindeste", was die Libanesen von ihrem Staatsoberhaupt erwarten könnten. Die syrische Führung und ihre Geheimdienste werden verdächtigt, hinter einer Serie von Politikermorden im Libanon zu stecken.

Präsidentschaftsanwärter der von Syrien unterstützten Opposition ist der Chef der christlichen "Freien Patriotischen Bewegung", Ex-Armeechef General Michel Aoun, der zwar selbst ein vehementer Gegner der Syrer ist, aber mit den schiitischen Parteien Hisbollah und Amal ein Zweckbündnis geschlossen hat. Im Regierungslager gibt es mehrere Kandidaten. Nach den Bestimmungen der Verfassung würden die Funktionen des Staatspräsidenten am 24. November auf die Regierung als Kollegialorgan übergehen. Diese wird allerdings von der Opposition als nicht verfassungskonform betrachtet, nachdem alle schiitischen Minister zurückgetreten sind. (APA/Reuters)