Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien - Wie unterschiedlich Wahrnehmungen und Erinnerungen auch unter engen Arbeitskollegen sein können, das hüpften am Montag, am 50.Tag des Bawag-Prozesses zwei Zeugen aus der Bilanzabteilung vor. Berthold Schmidt, zur Zeit der großen Verluste Vize-Chef der Bilanzabteilung (heute Bilanz-Bereichsleiter) und seine damalige Untergebene, Karin Valenta (heute Controlling) erzählten ihre Erlebnisse ab 1998, als Bawag-Kreditnehmer Wolfgang Flöttl die ersten 639 Mio. Dollar verloren hatte.

Während Valenta seit Oktober 1998 von den Verlusten wusste (und sich daran erinnert, dass beim Aufklärungsgespräch durch Johann Zwettler auch Schmidt dabei war) sagte der aus, erst 2001 von den Verlusten erfahren zu haben. 1998 habe Zwettler anlässlich der Gründung von drei Privatstiftungen in Liechtenstein zwar mit ihm über Geschäfte mit Flöttl gesprochen, aber nur mitgeteilt, "dass Flöttl in Schwierigkeiten ist, kein Geld mehr von Banken bekommt und ihm die Bawag Finanzierung einräumt, wobei die Sicherheiten mehr wert sind als das Kreditvolumen".

Wie Flöttl "sein" Geld verloren hat, ahnte der Zeuge nicht, denn: "Ich habe nicht gewusst, dass die Bawag 1995 ihre Geschäfte mit Flöttl wieder aufgenommen hat, möglicherweise hatte ich das verdrängt. Und im Herbst 1998 habe ich nicht hinterfragt, wie Flöttl das Geld verloren hat".

So gesehen erstaunt es nicht, dass Schmidt nicht wusste, dass Flöttl über die Stiftungen frisches Geld zum Weiterspekulieren bekam, obwohl er, Schmidt, im November 1998 mit Zwettler nach Liechtenstein gereist war: "Wieso, weiß ich nicht." Zwettler half aus: "Schmidt fuhr als Experte für Bilanzen und Bankwesengesetz mit."

"Ja, haben Sie sich keine Gedanken über all das gemacht?", hakte Richterin Claudia Bandion-Ortner nach. "Natürlich war das ganze Konstrukt merkwürdig. Ich habe nur mit Kollegin Valenta darüber gesprochen, und wir hatten beide kein gutes Gefühl.", klärte sie Schmidt auf.

Das Gefühl wurde auch nicht besser, als Zwettler ihm 1999 von "nicht dauerhaften, nur temporären Verlusten" erzählt habe, für die es genug stille Reserven gebe, weswegen man sie in der Bilanz nicht ausweisen müsse. Ob das erlaubt sei? Schmidt: "Das war sicher ein Grenzfall." Hätte er alle Informationen gehabt, hätte er "sicher eine Wertberichtigung empfohlen".

Die - höchst verfahrensrelevanten - Fragen Klumpenrisiko und Großveranlagung seien thematisiert worden, "aber ich bin kein Jurist". Einmal habe er Zwettler hingewiesen, dass Großveranlagungsgrenzen schlagend wurden, aber der habe darauf verwiesen, dass es ein gegenteiliges Gutachten gebe. Gesehen habe er, Schmidt, das nie. Erst Anfang 2001, als es "Hektik" herrschte rund um die Bilanzierung des Katastrophenjahres 2000 (die dafür nötige ÖGB-Garantie hat Schmidt nie gesehen) und er vom Wirtschaftsprüfer KPMG Details über Verluste und "weitgehend wertlose Sicherheiten" erfuhr, sei ihm "alles bewusst geworden".

"Vorstand war naiv" Schmidts Kollegin Valenta hätte die Geldzufuhr an Flöttl dagegen schon 1999 gestoppt, "weil man nicht ein drittes Mal Geld schickt, wenn schon zwei Mal alles schiefgegangen ist", brachte sie das Naheliegende auf den Punkt. Und, so fügte sie unter Raunen der Zuschauer hinzu: "Ich hätte nie gedacht, dass unsere Vorstände etwas Unrechtes tun. Ich glaube eher, sie waren naiv."

Für Erheiterung sorgte die Erklärung, warum die wenigen in die "Verarbeitung" der Verluste Eingeweihten nach 2001 Codenamen etwa für die Bawag International Finance ("Filiale Klagenfurt") verwenden sollten. Laut den zwei Zeugen habe das Ex-Treasurer und Refco-Manager Thomas Hackl 2002 (erfolglos) verlangt. Er habe gefürchtet, die Telefonate nach New York würden nach Nine-Eleven von der CIA abgehört. Hackl lässt das dementieren: "Er weiß nichts von den Decknamen." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.11.2007)