Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Verdacht des US-Geheimdienstes CIA scheint auszureichen, um auf eine Terrorliste zu kommen.

Foto: EPA
Bei der Erstellung ihrer schwarzen Terrorlisten verletzten die Vereinten Nationen und die EU laut dem Europaratsermittler Dick Marty grundlegende Menschenrechte. Der Rechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Rats fordert nun, „dringend“ zu handeln.

***

Paris/Wien – Youssef Nada war früher ein erfolgreicher Geschäftsmann, angesehen und seit über 30 Jahren integriert in Campione, einer kleinen italienischen Enklave im Schweizer Tessin. Dann kam der 11. September 2001, die Terroranschläge – und mit der Katastrophe in den USA auch die Katastrophe in Nadas eigenem Leben.

Der heute 76-jährige Italiener mit ägyptischen Wurzeln gerät ins Visier der CIA, wird verdächtigt, die 9/11-Anschläge finanziell unterstützt zu haben. Ende 2001 wird er auf eine schwarze Liste des UN-Sicherheitsrats gesetzt. Sein Vermögen wird eingefroren, er darf die Enklave nicht verlassen. Das Geschäft ist ruiniert. Die Schweizer Behörden stellen nach vier Jahren ihre Ermittlungen ein, sie haben nichts gefunden, was die Vorwürfe belegen könnte. Trotzdem bleibt Nada auf der schwarzen Liste, bis heute.

So jedenfalls schildert den Fall der Ermittler Dick Marty, und das anschauliche Beispiel hat dazu beigetragen, dass der Europarat den Schweizer Juristen nach den geheimen CIA-Flügen auf die schwarzen Terrorlisten der Vereinten Nationen und der EU angesetzt hat. Martys Urteil fällt vernichtend aus: „Heute hat ein Serienkiller mehr Rechte als ein Mensch, der auf einer Terrorliste steht“, stellte er fest. Ein vager Verdacht reiche aus, um als Privatperson auf einer dieser Liste zu landen, erklärte Marty am Montag in Paris. Es komme aber „einer Art von Todesurteil“ gleich, wenn Konten gesperrt und Ausreisen verboten werde.

Die Betroffenen würden oft nicht über die Aufnahme auf eine solche Liste informiert, dürften sich erst recht nicht dazu äußern, erläuterte Marty. Die Entscheidung im verantwortlichen Gremium des UN-Sicherheitsrats richte sich nach den Wünschen der US-Geheimdienste; die Hintergründe der Informationen blieben meist unklar.

Der Rechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, der den Marty-Bericht am Montag billigte, forderte „dringend“ eine Änderung der Praxis. „Total willkürlich und ohne jegliche Glaubwürdigkeit“ sei die Vorgehensweise von UNO und EU bei der Erstellung der Listen, hieß es von Seiten des Ausschusses.

Rund 370 Personen stehen demnach derzeit auf der Liste des UN-Sicherheitsrats, vermutlich rund 60 „Einheiten“ auf jener der EU. Sanktionen könnten „auf der Basis bloßer Spekulation“ verhängt werden. Eine unabhängige Prüfung der Entscheidung gibt es nicht.

In seinem vorläufigen Bericht fordert Marty UNO und EU nun auf, sich wieder an grundlegende rechtliche Standards zu halten, zeitliche Beschränkung einzuführen und den Betroffenen unter anderem das Recht einzuräumen, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen. (Julia Raabe/DER STANDARD, Printausgabe, 13.11.2007)