activision
activision
activision
activision
activision
Als Electronic Arts im Jahr 2002 mit "Medal of Honor: Allied Assault" den Zweiten Weltkrieg in nie gekannter Detailgetreue auf die Bildschirme der heimischen PCs brachte, löste es eine Grundsatzdebatte aus. Im blutigen Schatten des knochenhart gewandelten Hollywood-Kriegsfilm-Genres, vertreten durch Steven Spielbergs "Saving Private Ryan", gelang es den Entwicklern in einer bis dato nicht erlebten künstlichen Realität, die Schrecken der Schlachtfelder in einem Computerspiel abzubilden.

Während Kritiker noch vor der Verrohung durch stumpf wiedergegebene Gewalt warnten und sich mit wehenden Flaggen gegen die unvollkommene Geschichtsdarstellung aufbäumten, roch die Industrie den Braten schon frühzeitig und überschwemmte den durstigen Markt fortan jährlich mit immer realeren Weltkriegsdramen und digitalen Gemetzeln. Activisions "Call of Duty" verlieh dem Genre durch cineastisch inszenierte Kampfhandlungen ein Gesicht.

Willkommen in der Gegenwart

Nach den Jahren der thematischen Ausschlachtung nehmen die Spiele-Studios, nach einem kurzen Abstecher nach Vietnam, vermehrt aktuelle Krisenherde ins Visier, um die "nazimüden Spieler" an neue Abgründe zu locken. Am vorläufigen Ende dieses moralischen Scheidewegs ist nun auch das Millionen-Dollar-Franchise Call of Duty mit seinem offiziell vierten Teil in der Gegenwart angelangt.

Und entgegen den Befürchtungen, der Ego-Shooter würde mit seinen durch echte Schlagzeilen vertrauten Szenarien Öl ins Feuer der Weltpolitik schütten, verliehen die Schreiber in den Reihen des Teams von Infinity Ward dem Krieg im Spiel eine politische Abstraktheit. Die Schausteller sind nicht Russen, Araber oder US-Amerikaner – es sind die Soldaten, gebannt in zeitlose, halb reale, halb fiktionale Konflikte.

Zum Angreifen

Dabei verdeutlichen pixelgenaue Effekte und ohrenbetäubende Geräuschkulissen die bleigetränkte Stimmung des Schlachtfeldes. Exekutionen sind Exekutionen, Gattling-Salven auf anstürmende Soldaten richten das zu erwartende Blutbad an. Ein Scharfschütze zielt im wehenden Gras zwischen die Augen eines verfeindeten Heckenschützen, per Knopfdruck explodiert der Hinterkopf. Bei aller Härte durchläuft "Modern Warfare" eine Wandlung vom klassischen "Wir gegen sie"-Szenario zum "unparteiischen" Kriegsdrama, das den Komplott eines russischen Ultra-Nationalisten, die Explosivität des Mittleren Ostens und den rücksichtslosen Imperialismus des Westens hinter die ungeschminkte Pflicht der Soldaten stellt, Befehle ausführen zu müssen.

Blickwinkel

Auf jeder Seite stehen Verbündete und Feinde, dennoch als Araber oder Russe greift man nie zur Waffe. In der leider viel zu kurz geratenen Kampagne wehrt man sich abwechselnd als Brite und US-Amerikaner gegen den Weltuntergang. In den äußerst kurzweiligen fünf bis sechs Stunden ringt man unter permanentem Kugelhagel stets nach dem besten zur Verfügung stehenden Kriegswerkzeug, lädt durch und schießt. Getroffene Gegner werden von der Wucht der Kugeln zu Boden gerissen, winden sich, tasten nach der Pistole und schnalzen sterbend den Abzug bis zum Anschlag nach hinten.

Geschoße machen kurze Prozesse, "Wunderwesten" oder Erstehilfe-Boxen gibt es nicht. Wer getroffen wird, knickt, fällt oder knallt zu Boden, steht nicht mehr auf. Nur man selbst regeneriert nach kurzer Zeit wieder, bis man realisiert doch nur einen Krieg ohne echte Konsequenzen vor sich zu haben.

Spiel nach Plan

Auf der Jagd nach Terroristen, die mit Nuklear-Raketen ihrer Stimme Ausdruck verleihen wollen, wird man als Mitglied einer Spezialeinsatztruppe quasi angeschnallt und durch streng geskriptete Sequenzen geführt. Alles ist echt und unecht zugleich. Die Luft ist durch den täuschend real wirkenden, aufgewirbelten Staub derart dick, dass es nach Hollywood-Blockbuster riecht. Atmosphärische Zwischensequenzen, in denen man hilflos aus der Egoperspektive seinen Schicksalsweg miterleiden muss, rahmen das Bild in das Gerüst großer Kinofilme.

Dieses "Spielen wie auf Schienen" garantiert nachhaltig flackernde Momente, die detailgetreu aus Filmen wie Black Hawk Down herausziseliert wurden. Leider fesselt der rote Faden gleichermaßen wie er sich dem Spielerlebnis aufzwingt. Das Drama geht erst weiter, wenn Checkpoints passiert werden. Spielt man eine Szene fünfmal, kann man sie beinahe blind wiederholen. Der Rauch, die Soldaten, die Ruinen, das Artelleriefeuer sind doch nur Kulisse. Das vorgetäuschte Eigenleben der Kameraden nur eine perfekt eingebundene Laune im Algorithmus.

Das ist der Preis für eine unvergleichlich dicht gestrickte Atmosphäre - von den monströsen Bildern angefangen bis hin zu den nachhallenden Leidensschreien der Gefallenen. Werbung für den Krieg an sich wird nicht betrieben, dafür wirken die Bilder zu abschreckend und ungeschönt. Dem Spieler drängt sich aber dennoch unweigerlich eine Ambivalenz aus Neugier und Schockiertheit auf. Eine politische Aussage trifft das Spiel dabei nicht.

Do you speak English?

Umso enttäuschender ist die Tatsache, dass den Spielern im deutschsprachigen Raum nur die deutsche Sprachausgabe vorgelegt wird. Das klingt dann ungefähr so, als würde Oliver Pocher versuchen Jamie Foxx in Operation: Kingdom zu synchronisieren. Nicht einmal in den Weiten der Blu-ray-Fassung für PlayStation 3 lässt sich die erstklassige englischsprachige Tonspur finden. Nach Halo 3 und The Simpsons müssen Freunde des "guten Tons" dieses Jahr also auch bei Call of Duty 4 zum Import greifen.

Im Auge des Mitspielers

Ein Ärgernis, das beim eigentlichen Herzstück des Shooters – dem Mehrspielerpart – kaum zum Tragen kommt. In unterschiedlichen Soldatenklassen tritt man auf sauber ausbalancierten Schauplätzen wahlweise online oder offline (im Split-Screen-Modus oder über LAN) gegeneinander an. Mit der PC-Version können bis zu 32 Spieler gleichzeitig online in den Kampf ziehen, bei Xbox 360 und PS3 sind es lediglich 18. US-Berichten zufolge, könnte diese Beschränkung per Update zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben werden.

Spielt man im Internet, muss man sich bewähren und kann durch errungene Auszeichnungen immer mehr Waffen, Spielmodi und Spielerklassen freischalten. Offline stehen die Inhalte schon vorher zur Verfügung.

Wer etwas mehr aus den fordernden Duellen herausholen möchte, als nur Ballereien, sollte in den Einstellungen den "Hardcore-Modus" aktivieren. Dadurch fallen sämtliche Anzeigen auf dem Bildschirm weg und man wird gezwungen sich auf seine Fähigkeiten, das Schlachtfeld auszuloten, zu verlassen. Dafür erfährt man so die bis dato vielleicht spannendsten Mehrspieler-Gefechte überhaupt. Ohne Radar werden Scharfschützen zu unvorhersehbaren Blitzschlägen. Der Mann am Maschinengewehr darf nicht mehr unkontrolliert drauf los schießen, ohne die verbrauchten Magazine mitzuzählen.

Technik

Neben dem Mehrspielermodus gibt es auch technisch zwischen den Plattformen kleinere Unterschiede. Generell profitiert Call of Duty 4 enorm von hochauflösenden Displays. Auf normalen Fernsehern gehen einige der zahllosen Details im Pixelsumpf unter. Auf der PS3 und der Xbox 360 können Sie das Spiel in 720p genießen. Grafisch unterscheiden sich beide Fassungen kaum. Beim PC skaliert die Grafik mit der Stärke der Hardware, für alle Details benötigen Sie daher einen aktuellen Dual-Core-Rechner und eine starke Grafikkarte. Die Steuerung gefällt auf allen drei Plattformen, wobei die Konsolen-Version eine Option zur Zielhilfe bereitstellt. Schade, dass die Entwickler den PS3-Spielern nicht die Wahl zwischen "Maus und Tastatur"- und Gamepad-Steuerung gelassen haben, obwohl Sony diese Möglichkeit den Herstellern von Haus aus anbietet.

Fazit

Insgesamt schlängelt sich Call of Duty 4: Modern Warfare geschickt an allen politischen Brennpunkten vorbei und liefert ein eindrucksvoll inszeniertes Kriegsspiel, das ebenso gut auf die Leinwände der großen Kinozentren passen würde.

Wem das Genre zusagt, dem wird hier sowohl technisch als auch spielerisch der beste Teil einer erfolgreichen Serie geboten, der vor allem zumehrt begeistert. Sowohl die deutsche als auch die empfohlene englische Version sind bereits im Handel erhältlich. Die Konsolen-Versionen kosten rund 60 Euro, PC-Spieler zahlen zehn Euro weniger. (Zsolt Wilhelm)

Links

Activision