Der Weg von einer abstrakten globalen Solidarität und Demokratisierung zur konkreten Praxis ist naturgemäß gewunden. Doch, soweit war sich das Podium einig, es lohnt, ihn zu gehen. Der Moderator, Politologe Anton Pelinka, steckte die Richtung mit der Bemerkung ab, dass Verständigung bedeute, quer durch politische und religiöse Kulturen zu denken – wie etwa die nordirischen Frauen, die sich über konfessionelle Grenzen hinweg solidarisierten.
Ratloses Europa
Religion blieb auch für den Rest der im übervollen Saal des MAK laufenden Debatte das inoffizielle Hauptthema – es hätte lauten können: „Wie geht der Westen mit dem Islam, wie geht der Islam mit sich selbst und mit dem Westen um?“ Dafür sorgte vor allem Tariq Ramadan, Islamist aus Oxford und Präsident des Europäischen Muslimen-Netzwerks in Brüssel, mit einer ausführlichen Schilderung seiner Erfahrungen. Europa verlange Klarheit, sei sich aber selbst nicht klar, wie es mit Muslimen, vor allem mit der türkischen Frage, umgehen soll. Das Beharren auf der Überlegenheit westlicher Werte sei ein weiterer Stolperstein auf dem Pfad des „intercultural understanding“.
Der kanadische Philosoph Charles Taylor (McGill U., Montreal) präzisierte, es gehe darum, die Mechanismen freizulegen, die zu Missverständnissen und Gewalt führen. „Nicht die Führer und offiziellen Vertreter machen Religiosität aus, vielmehr die Nachbarschaften.“ Nötig sei ein intensiver Kontakt unter spirituell orientierten Menschen.
Geist ignoriert Natur
Der Historiker Dipesh Chakrabarty (University of Chicago) nahm die Klimaerwärmung zum Anlass, auf Parallelität – und Nicht-Kontakt – zwischen natur- und geisteswissenschaftlichen Debatten hinzuweisen. Die Geschichte der Menschen sei aber, wie die Klimadebatte zeige, in die Naturgeschichte eingebettet. Der Post-Kolonialismus habe das übersehen; die Frage der eigenen Entwicklung von Ländern wie Indien stelle sich nun neu.