US-Experte James Hoge: "Bush hat keine Glaubwürdigkeit im Iran."

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Wien - In der Bush-Regierung tobt ein Kampf zwischen jenen Kräften rund um Vizepräsident Dick Cheney, die ein militärisches Vorgehen gegen den Iran fordern, und der moderaten Fraktion von Außenministerin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Robert Gates, die auf die von den Europäern favorisierte Diplomatie setzen. Für James Hoge, den Chefredakteur von Foreign Affairs, haben die Moderaten derzeit die Oberhand.

"Das Risiko, dass die Bush-Regierung den Iran bombardiert, liegt unter 30 Prozent, aber ausschließen kann man es nicht", sagt der Chef des führenden außenpolitischen Journals der USA im Standard-Interview.

Mit ihren Drohungen versuche die Bush-Regierung, die iranische Führung einzuschüchtern und Europa, Russland und China für eine härtere Sanktionspolitik zu gewinnen, sagt Hoge, der an der Konferenz des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien teilnahm. "Das bringt zwar nicht viel, aber auch die Europäer müssen lernen, dass man nicht ewig verhandeln kann und manchmal eine klare Position einnehmen muss."

Hoge selbst empfiehlt beim Iran eine Politik des Abwartens. Das Urananreicherungprogramm sei klein und komme nicht recht voran. Frühestens in fünf Jahren könne der Iran über einsetzbare Atomwaffen verfügen. "Das heißt, es ist noch Zeit, um mit einer Mischung aus Sanktionen und Anreizen eine Verhandlungslösung zu erreichen", meint Hoge. "Aber die Bush-Regierung hat überhaupt keine Glaubwürdigkeit im Iran. Daher wäre es besser, die Lösung der nächsten Regierung zu überlassen und bis dahin auf der Stelle zu treten."

Pendel schlägt zurück

Wer immer die Präsidentschaftswahl in einem Jahr gewinnt, werde die US-Außenpolitik zurück in die Mitte führen, zeigt sich Hoge überzeugt. "Das Pendel schwingt zurück, denn der Unilateralismus der Bush-Regierung kollidiert mit der Realität der Weltpolitik. Die globalen Probleme sind komplex, und es entstehen neue Machtzentren, die sich gegen uns zusammenschließen könnten."

In den vergangenen Monaten hat Foreign Affairs Artikel veröffentlicht, in denen die sechs führenden US-Präsidentschaftskandidaten ihre Pläne für die Außenpolitik darlegen. Das Ergebnis: Mit Ausnahme des republikanischen Hardliners Rudy Giuliani wollen alle Kandidaten das Image der USA in der Welt verbessern und den Bush-Unilateralismus beenden oder zumindest mildern.

"Die Ähnlichkeiten sind auffallend", sagt Hoge. "Alle Kandidaten wollen die USA wieder glaubwürdiger machen, aber auch die Militärausgaben erhöhen. Und niemand bietet einen wirklich neuen Ansatz. Hillary Clinton fordert eine Rückkehr zum liberalen Internationalismus der 1990er-Jahre. Das ist nicht sehr realistisch, denn man kann nicht einfach zurückkehren."

Sollte Clinton gewinnen, dann hofft Hoge auf eine grundlegende Neubewertung der weltpolitischen Rolle der USA. "Wenn sie nur kleine Korrekturen vornimmt, wie sie es jetzt verspricht, dann würde sie bei den tieferen Problemen nichts anpacken."

Alle Kandidaten seien im Wahlkampf gezwungen, härtere Töne anzuschlagen, als sie eigentlich meinen, glaubt Hoge: Die Demokraten hätten Angst, dass Wähler ihnen bei der Sicherheit nicht trauen; die Republikaner "haben nur ein einziges Verkaufsargument: die Nation ist bedroht".

Selbst Giuliani würde als Präsident weniger radikal regieren, als er derzeit klingt, glaubt Hoge. "Sein größtes Problem aber ist seine Impulsivität. Hillary kann zwar auch leicht zornig werden, aber sie beruhigt sich rasch. Bei Giuliani hört es nicht auf." (Eric Frey, DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2007)