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Menschen zu klonen sprengt die Grenzen der Wissenschaft. Der Forscherehrgeiz setzt sich über diese und andere Beschränkungen hinweg.

Foto:dpa
Mit einer freundlichen "Kalimera" öffnet Karl Oskar Illmensee die Tür und bittet im blauen Laboranzug in die Lobby der Reproduktionsklinik "Genesis" im griechischen Patras. Eine bunte Haube bändigt die schulterlangen Haare des 68-Jährigen, der die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten scheut. Doch jetzt redet er zum ersten Mal über seine Klonversuche: Wie er in den Sechzigerjahren versuchte, Fruchtfliegen zu klonen, in den Achtzigern Mäuse - und wie er zwischen 2003 und 2005 auch mit Menschen experimentierte.

"Sprücheklopfer"

Schon oft behaupteten windige Forscher, Menschen geklont zu haben: die Chemikerin Brigitte Boisselier von der Raelianer-Sekte, der greise Physiker Richard Seed und der Frauenarzt Severino Antinori. Allesamt "Sprücheklopfer", denen jede wissenschaftliche Expertise zum Klonen fehle, sagt Stammzellenforscher Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. Karl Illmensee jedoch sei ein "ganz anderes Kaliber". Ein Pionier, dessen Leistungen sich Ian Wilmut und Keith Campbell zum Vorbild nahmen, als sie Klonschaf Dolly schufen.

Menschen klonen

Deshalb horchten Experten auf, als Illmensee und sein Kompagnon, der Arzt Panayiotis Zavos, vergangenes Jahr in den Archives of Andrology schrieben, einen Klonembryo hergestellt zu haben. "Wir haben insgesamt fünf Menschen zu klonen versucht ", sagt Illmensee. Eine Frau ohne Partner und vier Paare hätten sich dafür bei Zavos in Lexington, Kentucky, gemeldet. "Eines kam aus Ägypten, zwei aus den USA, eines aus England und eines aus Syrien oder Jordanien", zählt Illmensee jetzt im Gespräch mit dem Magazin P.M. auf.

Neun Embryonen erzeugt

Sie seien über die Risiken informiert worden und hätten dem Prozedere zugestimmt. "Aber die Frauen waren schon sehr, sagen wir, demütig", formuliert es Illmensee. Die Körperzellen für das Klonprozedere entnahm ein Arzt aus dem Oberarm der unfruchtbaren Männer. Neun Embryonen will Illmensee erzeugt haben: "Einer davon hat sich mindestens bis zum Zwölf-Zell-Stadium entwickelt, bevor wir ihn wie die anderen in die Gebärmutter transferiert haben."

"Goldene Hände"

Von Anfang an bestimmt das Klonen die Forscherkarriere von Karl Illmensee. Berühmt wird der gebürtige Lindauer, als es ihm fast gelingt, Fruchtfliegen zu klonen. Kollegen rühmen seine "goldenen Hände", die mit hauchdünnen Glaspipetten Zellen und sogar Zellkerne verpflanzen. 1981 zieren drei Klon-Mäuse das Cover der Fachzeitschrift Cell: 15 Jahre vor Dollys Geburt bricht Illmensee das Dogma, dass Säugetiere nicht geklont werden können. Ein Triumph. Aber andere Forscher können seine Versuche nicht wiederholen.

Biologisch unmöglich

Auch Davor Solter, heute am Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie, gibt nach langwierigen Experimenten auf. Er schreibt 1984 in Science, das Klonen von Säugetieren durch simplen Kerntransfer sei biologisch unmöglich. Seine goldenen Hände werden Illmensee zum Fluch, er steht als Fälscher da. Zumal ihn Mitarbeiter seines Genfer Labors zwei Jahre zuvor verdächtigten, Ergebnisse geschönt zu haben.

Eine Kommission fand dafür keinen Beweis, rügte aber seine Geheimniskrämerei und unverzeihliche Protokollfehler. Es bleibt beim Verdacht, der prompt die neuen Vorwürfe nährt: Die Reputation ist ruiniert.

Dramatischer Sturz

"Das war schon ein dramatischer Sturz", erinnert sich Illmensee. "Als verantwortlicher Universitätsprofessor hinein in diese Fälschungsgeschichte, die mir fast das Genick gebrochen hätte." Illmensee geht erst nach Salzburg, dann nach Innsbruck und arbeitet dort in der Reproduktionsmedizin - goldene Forscherhände für die Klinik-Routine.

Selbst als Klonschaf Dolly 1996 geboren wird, glaubt niemand an Illmensees Klonmäuse. Denn Wilmut hat unbefruchtete Eizellen verwendet. Erst 2006 zeigen Warschauer und 2007 Bostoner Forscher, dass Mäuse tatsächlich auch mit befruchteten Eizellen geklont werden können, wie es Illmensee 1981 beschrieben hat.

In der Klonfirma

In Nature räumt sogar Solter ein, das könne Ilmensees Reputation "teilweise wiederherstellen". Doch der deutsche Pionier hatte sich schon einen anderen Weg zurück an die Klonfront gesucht.

Trio infernal

Illmensee folgt 2001 einer Einladung Antinoris nach Rom. Und mit Zavos verbinden sie sich zum Trio infernal mit dem Plan, Menschen zu klonen. Ein Streit verprellt Antinori, und Zavos schlägt Illmensee vor, "etwas Seriöses in Lexington" zu machen. Dort, wo Klonen gesetzlich nicht verboten ist, findet der Forscher ein "relativ gut ausgestattetes Labor" vor: "Wo sonst würde es die Möglichkeit geben, zwei, drei Monate am Klonen zu arbeiten und dann wieder zurück in die Klinik gehen zu können?" Illmensee wird "wissenschaftlicher Direktor" von Reprogen, Zavos' Klonfirma.

Seine Klonexperimente liegen aber mittlerweile zwanzig Jahre zurück. Illmensee muss üben, und er braucht ein Testsystem, ohne kostbare menschliche Eizellen verwenden zu müssen: Rindereizellen, deren Zellkern er entfernt, um sie mit dem Erbgut menschlicher Zellen zu versehen.

Dem Ziel näher

Solche Inter-Spezies-Embryonen erzeugt Illmensee nach Recherche dieser Zeitung (Sonntagszeitung vom 3. 10. 2004) in Oberschleißheim. Im Versuchsgut der Universität München lernt Illmensee beim Klonforscher Eckhard Wolf in kürzester Zeit die neuesten Methoden und "viele kleine Schritte und Tricks", sagt Illmensee. Und er bittet einen zweiten Kollegen um Hilfe, das Erbgut der InterSpecies-Klone zu untersuchen, den Göttinger Tiergenetiker Bertram Brenig. Beiden Forschern verschweigt er, dass sie ihn letztlich seinem Ziel näherbringen, einen Menschen zu klonen.

Das erste Mal

Das Experiment wagt Illmensee am 14. März 2003 zum ersten Mal. Er setzt das Erbgut aus den Körperzellen einer 46-jährigen Amerikanerin in zehn entkernte Eizellen ein. 64 Stunden später zeichnet er einen achtzelligen Embryo in sein Laborbuch und notiert: "It is the first!" Dieser erste Klon wird in keine Gebärmutter verpflanzt. Anders 2004, und im Jahr 2005 sind es gar drei Paare, die Illmensee der Prozedur unterzieht. Erfolgreiche Schwangerschaften werden allerdings nicht daraus.

"Ein bisschen hineingerutscht"

Als seine Zusammenarbeit mit Zavos publik wurde, kündigte ihm die Universität Innsbruck. Aber kein Gedanke aufzuhören: "Als Pensionär an meinen Motorrädern und Oldtimern rumschrauben? Da flieg ich lieber hin und wieder nach Lexington und arbeite dort ein wenig." Für ein paar Tausend Dollar Salär und Logis in einem kleinen Haus.

Erst jetzt, nach der Trennung von Panos Zavos und dem Neuanfang in der griechischen Befruchtungsklinik "Genesis", zeigt Illmensee Gewissen: "Ich bin da schon ein bisschen hineingerutscht."

Hohes Risiko

Dennoch: Er wusste von den vielen Fehlversuchen beim Klonen anderer Säugetiere und dem hohen Risiko von Fehlbildungen und Fehlgeburten. "Am Anfang habe ich gedacht, dass das Klonen beim Menschen vielleicht besser funktioniert", verteidigt sich Illmensee. Das sei ja nie untersucht worden. "Aber wir konnten nur neun Klonembryonen der fünf Patienten machen." Reue oder Gewissensbisse, eine Grenze überschritten zu haben? Die äußert Illmensee nicht.

Extreme Neugier

"Es war wohl extreme Neugier. Nachdem ich die ersten Resultate gesehen habe, sollten wir nicht weitermachen. Unsere Arbeit hat gezeigt, wie lausig das Klonen funktioniert." Am achten Mai 2007 hat Illmensee die Zusammenarbeit mit Zavos beendet - per E-Mail.

Biologische Klone

Noch immer lässt Illmensee vom Klonen nicht die Finger. Er arbeitet nun mit dem Embryologen Mike Levanduski zusammen.

In dessen New Yorker Labor "teilt" Illmensee menschliche Embryonen, die aufgrund überzähliger Chromosomen eingeschränktes Entwicklungspotenzial haben. So entsteht künstlich, was in der Natur zu Zwillingen führt - biologische Klone.

"Ersatzrad"

Dieses Embryosplitting ist in Deutschland verboten, die Ethikkommission der amerikanischen Gesellschaft für Reproduktive Medizin aber hält es für sinnvoll und "akzeptabel". Bei einer künstlichen Befruchtung würde sich die Chance auf eine Schwangerschaft verdoppeln, meint Illmensee. Und während der eine Zwillingsembryo heranwachse, könnte der andere als Ersatzteillager eingefroren werden, als "Ersatzrad", wie Zavos formuliert.

Vierzig Jahre nach seinen Versuchen an Fliegen bleibt Illmensee auf Tuchfühlung zum Klonen. Zu groß ist für ihn die Neugierde, zu berauschend das Gefühl, Entdecker zu sein. (Sascha Karberg, MEDSTANDARD, 12.11.2007)