Edith Schober leitet mit Birgit Rami die Diabetesambulanz im Wiener AKH. Wissenschaftlich arbeitet sie auf dem Gebiet der Diabetes-Epidemiologie. Im klinischen Bereich liegt der Schwerpunkt auf neuen Therapiestrategien mit Insulinpumpen und GlucoseSensortechnik für Kinder und Jugendliche

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STANDARD: Immer mehr Kinder erkranken an Diabetes. Woran liegt das?

Schober: Da muss man unterscheiden. In Europa kommt bei Kindern vor allem der Typ-1-Diabetes vor. Umweltfak- toren wie Infektionen oder Stress spielen hier wahrscheinlich eine Rolle. Der Typ-2-Diabetes nimmt in allen Altersgruppen, also auch bei Kindern und Jugendlichen, zu - hier vor allem aber in den USA und in Schwellenländern in Asien. Die indianische Bevölkerung in Nordamerika und Mexiko und Asiaten scheinen dabei besonders gefährdet zu sein. Oft tritt Typ-2-Diabetes hier als Folge der Fettleibigkeit auf.

STANDARD: Warum vor allem diese Bevölkerungsgruppen? Liegt es daran, dass die Kids heute mehr denn je Pommes und Hamburger essen statt der traditionellen, gesünderen Nahrung, die ihre Eltern und Großeltern zu sich nahmen?

Schober: Der "nicht gesunde westliche Lebensstil" ist ein Auslöser für Fettleibigkeit. Da greifen viele Faktoren ineinander. Über die Medien wird Fastfood angepriesen, es wird nicht nur zu viel davon gegessen, es fehlt auch an Alternativen. Die Qualität der Nahrung sinkt. In früheren Jahren waren Kinder in diesen Re- gionen auch gezwungen, viele Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen. Heute sind sie weitgehend mobil, ohne sich körperlich anzustrengen.

STANDARD: Glauben Sie, dass der Typ2-Diabetes in unseren Breiten auch bei Kindern stärker auftreten wird?

Schober: Der ungesunde Lebensstil ist natürlich auch in Mitteleuropa ein Problem. Auch unsere Kinder werden immer dicker. Da sollte man gegensteuern - mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung. Derzeit haben wir aber wie gesagt vor allem Kinder mit Typ-1-Diabetes.

STANDARD: Wenn diabetische Kinder zu Ihnen kommen, welche Symptome haben die?

Schober: Kinder, die am Typ-1-Diabetes erkranken, sind sehr müde und wirken in der Schule oft recht unkonzentriert. Sie haben nicht selten Gewicht verloren, viel Durst und einen recht starken Harndrang. Das sind Symptome, die man eigentlich nicht übersehen kann. Zum Glück kommen viele Eltern von selbst mit dieser Verdachtsdiagnose zum Kinderarzt. Der Typ 2 wird meist nur zufällig erkannt. Bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen muss man leider an die hierzulande noch sel-tene Diagnose denken, vor allem dann, wenn auch Eltern oder Großeltern diese Zuckerkrankheit, einen hohen Blutdruck und überhöhte Blutfettwerte haben.

STANDARD: Erwachsene Diabetiker haben es nicht ganz leicht, trotz Krankheit ein "normales" Leben zu führen. Wie sehen Sie dieses Problem bei Kindern?

Schober: Jede Form des "Andersseins" bei Kindern stellt ein soziales Problem dar. Ob sie nun Adipositas haben oder den Diabetes. Im Kindergarten und in der Schule haben Kinder aufgrund der notwendigen Therapiemaßnahmen eine gewisse Sonderstellung. Es ist nicht ganz einfach, die richtige Balance zu finden, damit die Kinder hier keine Außenseiter werden.

STANDARD: Wie kann man das verhindern?

Schober: Durch Einbindung in alle Aktivitäten. Man sollte auf Unterzuckerungen bei Wanderungen zwar achten, aber nicht aus Angst davor das Kind zu Hause lassen. Es sind gemeinsame Anstrengungen notwendig. In den meisten Fällen gelingt das auch. Wenn nicht, sollte man sich nicht scheuen, die Hilfe von Diabetesberatern und Psychologen in Anspruch zu nehmen. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2007)