Netzpolitik
Musik im Online-Zeitalter: "Ökonomische Basis völlig unterminiert"
Digitales Rechtemanagement "hat nicht funktioniert, funktioniert nicht und wird nicht funktionieren" - Konferenz im mica
Im kommenden Jahr wird ein Jubiläum begangen, bei dem
der Plattenindustrie nicht zum Feiern zu Mute sein wird: 1998, vor
zehn Jahren, kam mit den ersten MP3-Abspielgeräten jene Umwälzung im
Musikkonsum ins Rollen, die seither Tonträgerverkäufe sinken und
Plattenfirmen-Managern die Köpfe rauchen lässt. Dass gegen jene
Firma, die den MP3-Spieler herstellte, gleich einmal eine Klage der
Musikindustrie eingelangt sei, "hat gezeigt: Das war ein Einschnitt",
sagte der Leiter des "Music Information Center Austria" (mica)
, Peter
Rantasa, am Montagvormittag bei einer Pressekonferenz.
Konferenz
Im mica stand im Rahmen von "Wien Modern" eine Konferenz am
Programm, die sich mit den seither vollzogenen Umwälzungen im
Musikbusiness auseinander setzt: "The fan, the music, the net"
versammelt bis Dienstag u. a. den Musiker und Autor David Jennings,
Alexander Hacke von den "Einstürzenden Neubauten" und Vertreter
diverser neuer Ansätze, Musik im Online-Zeitalter zu vermarkten. Denn
die herkömmliche Art, über die großen Plattenfirmen und deren
Marketingabteilungen CD-Absätze in Millionenhöhe zu generieren,
funktioniert immer weniger.
Was nicht schlecht sein muss: "Wenn die Musik nicht unter der
Kontrolle der Firmen steht, ist das eine gute Nachricht", sagte Peter
Jenner, ehemals Manager von Pink Floyd und seit 40 Jahren im
Musikbusiness tätig. Dennoch müsste man angesichts der musikalisch
zwar begrüßenswerten, jedoch finanziell vor Probleme stellenden
Anarchie "einen neuen Deal" zwischen Musikindustrie und Konsumenten
finden. "Die ökonomische Basis der Musik wurde durch die
elektronischen Verbreitungswege vollständig unterminiert", sagte der
Musikmanager.
Abgabe
Jenner spricht sich für eine "Abgabe auf die Anarchie" aus: Ein
kleiner Pauschalbetrag, der auf die monatlichen Kosten für
Breitband-Internetverbindungen aufgeschlagen werden soll, soll für
genug Einnahmen sorgen, dass es auch in Zukunft "hochwertige
Musikaufnahmen" geben wird. Dies soll jedoch keine herkömmliche "Flat
Rate" für Musik sein (da dies mit den weltweiten Rechteabgeltungen
unmöglich zu organisieren wäre), sondern eine "Abgeltung für den
unautorisierte Online-Nutzung von Musik".
Jenner beziffert die Pauschale bei rund drei Euro pro Monat und
Internet-Verbindung - dies würde den Musikern (sobald sie ihre Rechte
an ihrer Musik angemeldet haben) und der Musikindustrie bei
flächendeckender Durchsetzung sogar mehr Einnahmen verschaffen, als
sie jemals hatten. Es sollte eine Möglichkeit geben, aus der
Pauschale auszusteigen, etwa bei nur beruflich genützten Computern -
bei Vergehen solle es dann jedoch "sehr hohe Geldstrafen" geben.
Musikhörer
Alle anderen Methoden, mit denen die Musikhörer zum Bezahlen von
online konsumierter Musik verleitet werden sollten, "haben in
verschieden starkem Ausmaß versagt. iTunes ist ein guter Weg, iPods
zu verkaufen, aber nicht Musik." Wenn sich keine Lösung finde, sei in
wenigen Jahren die "Ära des Massen-CD-Markts fast sicher zu Ende".
Doch nicht allen geht es schlechter. Wie vielschichtig die
Umwälzungen im Musikbusiness sind, schilderte der in den 1980ern u.
a. mit dem Song "A Good Heart" bekannt gewordene Feargal Sharkey.
"Während alle Plattenfirmen-Manager, die ich treffe, eher depressiv,
wenn nicht gar selbstmörderisch gestimmt sind", seien
Konzertveranstalter "mit dem Leben zufrieden", so Sharkey. Denn die
Live-Musik erlebe einen Boom, wie sich in Großbritannien nach einer
Gesetzesänderung, nach der erstmals alle Auftritte auch in Pubs oder
Hotels angemeldet werden mussten, deutlich gezeigt hat. "Es gibt hier
keinerlei negativen Einfluss durch das Internet oder die
Technologie", sagte Sharkey. Auftritte von ein "paar Burschen und
Mädchen in Hinterzimmern" - "dort beginnt es, und dort bleibt die
Musik am Leben", so Sharkey, der im Rahmen des "British Live Music
Forum" Berater der britischen Regierung in Hinblick auf Live-Musik
ist.
Hilfsmittel
Die Live-Musik sei auch ein wertvolles Hilfsmittel für die
Musikindustrie, um mit dem Publikum in Kontakt zu treten: So besitze
jener Veranstalter, der für das (mittlerweile verschobene) Led
Zeppelin-Reunionkonzert in London die Anmeldungen entgegengenommen
hat, nun "20 Mio. Email-Adressen" von potenziellen Konzertbesuchern.
In einem stimmte Sharkey mit Jenner überein: Digitales
Rechtemanagement "hat nicht funktioniert, funktioniert nicht und wird
nicht funktionieren". Bei der mica-Konferenz sollten in Folge Themen
wie das Generieren von Aufmerksamkeit und von Publikum für Musiker,
Fragen von Urheberrecht und Abgaben sowie die politischen
Anforderungen diskutiert werden. (APA)