"Der Begriff der Organisation ist dabei sehr weit zu interpretieren. Er umfasst Unternehmen, NGOs (Non Governmental Organizations), Regierungsbehörden genauso wie Universitäten und Krankenhäuser", erklärt Karl Grün, Vorsitzender der Arbeitsgruppe "Social Responsibility". Schon vor der Konferenz stand fest, dass die ISO 26000 lediglich ein Leitfaden werden, nicht aber Grundlage für eine Zertifizierung darstellen soll. "Das bedeutet unterm Strich, dass jede Organisation selbst entscheidet, ob sie sich an die Mindeststandards der Empfehlung hält oder nicht. Mit dieser Konzeption gibt es also auch keine Bestätigung von offizieller Seite, dass sich etwa ein Unternehmen sozial und gesellschaftlich verantwortlich verhält", so Grün.
"Nach wie vor wird immer noch viel zu viel Aufmerksamkeit auf das Thema Zertifizierung gelegt", findet Wolfram Tertschnig vom "Lebensministerium". Er nahm als einer der österreichischen Delegierten an der Vollversammlung teil. "Zertifizierung ja oder nein" ist seiner Meinung nach gar nicht die Frage, viel wichtiger sei doch die Glaubwürdigkeit von Organisationen, die von sich behaupten, gesellschaftlich verantwortlich zu handeln, so Tertschnig.
Bessere Orientierung
Anders sehen das naturgemäß die Kosumentenvertreter, sie orten großes Interesse der Verbraucher an Informationen über umweltrelevantes Verhalten von Unternehmen: „Der Verbraucher wünscht sich eine Art Pickerl auf Produkten zur Orientierung, ähnlich wie bei Fair-Trade-Erzeugnissen“, so der langjährige Geschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation und Vorsitzende des Verbraucherrates, Hannes Spitalsky. Er bedauert, dass die ISO 26000 lediglich ein unverbindlicher Leitfaden sein soll.
"Angesichts der sehr unterschiedlichen Erwartungen und Standpunkte der Stakeholder waren die Verhandlungen über die Inhalte alles andere als ein leichtes Unterfangen", resümiert Martin Neureiter, Vorsitzender des Gremiums "Corporate Social Responsibility". Die Frage ist, wie man mit jenen Staaten umgeht, die die in der ISO 26000 postulierten Standards für gesellschaftliche Verantwortung unterschreiten – und das sind gar nicht wenige.
"Der Sinn der Guideline über Social Responsibility ist, ein Regelwerk zu schaffen, das über die höchst unterschiedlichen Niveaus von nationalen Regulierungen gelegt werden soll. Aus meiner Sicht muss die Norm über die bestehenden Arbeitnehmergesetze hinausgehen", postuliert Eva Angerler von der Gewerkschaft der Privatangestellten. Ein frommer Wunsch, vor allem in den Dritte-Welt-Ländern, sind die Gesetze zum Arbeitnehmerschutz – wenn vorhanden, sind sie weit unter den Standards der ISO-Richtlinie.
Die Frage, wie man mit diesem Faktum umgeht, war einer der wichtigsten Punkte auf der Tagesordnung der Vollversammlung: "Hier sind wir einen wichtigen Schritt weitergekommen", meint Grün zufrieden: "Alle Teilnehmer haben sich darauf geeinigt, verstärkt auf die Regierungen einzuwirken, um die nationalen Regelungen dem Niveau der ISO 26000 anzupassen."