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Wer dirigiert die Hilfe? Die Deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul bei einem Treffen der EU mit Vertretern von Entwicklungsländern.

Foto: AP/Knippertz
Der internationale Kampf gegen Krankheiten wie Aids und Malaria löst bei Mosambiks Gesundheitsminister Paulo Ivo Garrido sichtlichen Ärger aus. „Welchen Sinn hat es, viel Geld dafür zu verwenden, damit eine Frau nicht an Aids stirbt – wenn sie dann die Geburt oder Cholera nicht überlebt?“.

Einmal habe er mit Bill Gates darüber gesprochen, der Unmengen an Geld in die Bekämpfung von Malaria investiert. „Ich habe ihn gefragt: Warum willst Du nur Malaria unterstützen? Er sagte: Wenn wir Geld ausgeben, wollen wir Resultate sehen“, erzählt Garrido. Geld für spezielle Projekte, Druck zu Erfolgen, die sich in Zahlen messen lassen – „das ist das Drama, das wir in Afrika haben!“

Schlagwort Budgethilfe

Die internationale Gemeinschaft glaubt seit Kurzem ein Rezept gegen dieses Drama gefunden zu haben. Budgethilfe heißt das neue Schlagwort innerhalb der Gebergemeinschaft. Was unspektakulär klingt, hat das Potenzial, die Architektur der Entwicklungszusammenarbeit nachhaltig zu revolutionieren. Bei der Budgethilfe wird das Geld von den Gebern direkt an die Finanzminister der Entwicklungsländer überwiesen. Als Bedingung muss das Land eine Armutsbekämpfungsstrategie ausgearbeitet haben und über eine zumindest teilweise funktionierende Verwaltung verfügen. Auch von der Weltbank oder dem Währungsfonds bewilligte Reformprogramme werden oft verlangt.

Unterschieden wird generelle Finanzhilfe, bei der das Geld einfach ins Budget einfließt. Wird das Geld mit spezifischen Auflagen vergeben, dafür mehr Lehrer einzustellen, Schulen zu bauen, wird von der sektoriellen Budgethilfe gesprochen. So oder so: Das Konzept ist jedenfalls heftig umstritten. Die NGOs, die bisher einen Großteil der Hilfsprojekte abwickeln, fürchten das Versiegen ihrer Geldquellen. Und Geld hat bekanntlich kein Mascherl. Wie kann garantiert werden, dass Regierungen die Mittel aus dem Ausland nicht annehmen und dafür ihr eigenes Geld ins Militär investieren? Unbestritten ist nur: Mit dem Modell erfährt der Staat in den Entwicklungsländern eine Renaissance.

Regierungen sollen Verantwortung übernehmen

„Die Budgethilfe ist ein wichtiges Mittel für Regierungen, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Glauco Calzuola, Vertreter der EU-Kommission in Mosambik. Denn soll das Instrumentarium funktionieren, bedarf es in den Entwicklungsländern funktionierende Bürokratien, die im Idealfall mit aufgebaut werden sollen. Aber gerade in Mosambik sagen Entwicklungshelfer, dass das Land noch längst nicht bereit ist, das Geld selbst zu verwalten: „Korruption ist hier normal. Sie fängt im Großen an und geht bis in die untersten Instanzen“.

Aber trotz der Skepsis steigt die Budgethilfe seit ihrem Aufkommen Ende der 1990er Jahre rasant an. Allein seit 2001 hat die EU die Mittel, die sie für die Finanzhilfe ausgibt mehr als verdoppelt. Die EU-Kommission gibt jährlich über 400 Millionen Euro – mehr als ein Drittel ihrer EZA-Mittel – für Budgethilfe aus. In Großbritannien sind es über 40 Prozent, in Norwegen über 30. Bei vielen Experten gilt die Budgethilfe als der erfolgversprechendste Ansatz in der EZA seit Langem.

Verwaltung überlastet

Das „Ownership“ der Entwicklungsländer könne so gestärkt werden, argumentieren sie. Die EZA-Staaten sollen ihre eigenen Armutsbekämpfungsstrategien erarbeiten, eigenverantwortlich entscheiden – und die Industriestaaten nur mehr Mindestkriterien aufstellen. Damit verbunden ist die Harmonisierung der Programme auf Geberseite. Tausende NGOs führen in den EZA-Ländern ihre Projekte durch. Das führt nicht nur oft zu widersprüchlichen Strategien, sondern überlastet auch die Verwaltung vieler Staaten. So musste die Regierung in Tansania 2003 etwa eine zweimonatige Pause von Gebermissionen erbitten, um in Ruhe arbeiten zu können.

Österreich hat 2006 mit der Budgethilfe begonnen. Von den knapp 100 Millionen Euro der Austrian Development Agency (ADA) fließen sechs Prozent in Finanzhilfe. 2008 sollen es über zehn sein. In Mosambik leistet die ADA Finanzhilfe für Landwirtschaft und Dezentralisierung. In Kap Verde wird der Umweltaktionsplan unterstützt. Darin vorgesehen ist die klimafreundliche Energiegewinnung, etwa durch Förderung von Windrädern.

Österreichische NGOs sind skeptisch. Budgethilfe dürfe nur vergeben werden, wenn es mehr EZA-Mittel gibt. Viele Partnerländer verfügten zudem nicht über ausgefeilte Kontrollmechanismen. „Wenn wir immer darauf warten würden, bis die Performance ideal ist, könnten wir nie Budgethilfe geben“, sagt dagegen Margit Scherb von der ADA. Die Stärkung demokratischer Kontrollinstrumente sei ein wichtiger Aspekt der Finanzhilfe. Und es gehe nicht darum, die NGOs zu verdrängen. Sondern darum, den richtigen Mix zwischen den Instrumenten zu finden. (Julia Raabe/András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 13.11.2007)