Gruppenbild 2007: Flankiert von den Wittgenstein-Preisträgern Rudolf Zechner (ganz links) und Christian Krattenthaler (ganz rechts) drei der heurigen Start-PreisträgerInnen: Kathrin Breuker, Thomas Bugnyar und Sigrid Wadauer (von links nach rechts).

Foto: Mathias Cremer
Berücksichtigt wird in guter Tradition das gesamte Forschungsspektrum - von Benediktinerbriefen bis Quantenphysik.

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Wien - Er habe im Budget gegraben, sagte Wissenschaftsminister Johannes Hahn, und sei fündig geworden. Also gibt es heuer elf Millionen Euro Förderung statt 7,5 wie letztes Jahr, zwei Wittgenstein-Preisträger statt einem und acht "Start"-Gewinner statt fünf.

Am Montag stellte der Wissenschaftsfonds FWF im Presseclub Concordia die Forscher vor, die in den Genuss der erhöhten Dotierung kommen. Wie Sheila Jasanoff (Harvard Universität und Vorsitzende der internationalen FWF-Jury) betonte, ist eine der herausragenden Eigenschaften des Programms, dass Vertreter aller Forschungsrichtungen berücksichtigt werden, nicht nur "sciences" im angelsächsischen Sinn; dementsprechend breit sei das Spektrum der Auserwählten.

Verwertbares Wissen

Der Wittgenstein-Preis ist Österreichs renommierteste Auszeichnung für bereits arriviertere Wissenschafter. 1,5 Millionen Euro können sie über fünf Jahre für Forschung und Mitarbeiter verwenden.

Er geht dieses Jahr zum einen an Christian Krattenthaler. Der Wiener Mathematiker beschäftigt sich mit Fragen der Kombinatorik, wie sie in Algebra, komplexer Geometrie, aber auch in der Informatik und statistischen Physik vorkommen. "Geld lässt sich damit nicht verdienen", sagt er. Doch wie sich immer wieder zeigt, gelangen viele Ergebnisse der Grundlagenforschung, auch ohne dass dies beabsichtigt war, in den Kreislauf verwertbaren Wissens.

Der zweite Preisträger ist der Grazer Molekularbiologe Rudolf Zechner. Er hat mit seinem Team den Fettstoffwechsel untersucht, dessen Störungen häufig zu Erkrankungen führen, und dabei die Lehrmeinungen zum Fettabbau widerlegt bzw. durch die Entdeckung eines entscheidenden Enzyms erweitert. Verwertbare Erkenntnisse sind hier bereits auszumachen: "Es wird", schreibt Zechner, "die molekulare Basis zur Aufklärung genetischer Erkrankungen gelegt." FWF-Präsident Christoph Kratky, ein Kollege Zechners, betonte auch dessen Fähigkeit, sein Arbeitsergebnisse allgemein verständlich zu machen.

Die mit 1,2 Millionen dotierten Start-Preise für den Spitzen-Nachwuchs gingen an:

Kathrin Breuker (Uni Innsbruck): Struktur und Faltung von Biomolekülen in der Gasphase, Ziel der besseren Sequenzierung und Analyse von Proteinen;

Thomas Bugnyar (Uni Wien): soziale und kognitive Leistungen von Rabenpopulationen - Komplexität als Triebfeder für Intelligenzentwicklung;

Otfried Gühne (ÖAW Innsbruck): experimentelle Verschränkung mehrerer Quantenteilchen - neue Einsichten in Festkörper;

Bernhard Lamel (Uni Wien): Äquivalenz von mathematischen Objekten mit mehreren Veränderlichen - mögliche Anwendungen in Analysis und Geometrie;

Thomas Lörting (Uni Innsbruck): anomale Eigenschaften von unterkühltem Wasser, Vergleich verschiedener Dichtegrade;

Paul Mayrhofer (Montan-Uni Leoben): Elastizität und Stabilität von Hochleistungswerkstoffen bei plötzlicher Abkühlung, Erzielung neuer Materialeigenschaften und Anwendungsgebiete;

Sigrid Wadauer (Uni Wien): "Erzeugung" von Arbeit, Nicht-Arbeit und Zwischenzuständen von 1880 bis 1938 - die praktische Wirksamkeit von Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in Österreich und im internationalen Vergleich;

Thomas Wallnig (Uni Wien): Gelehrtenrepublik im 18. Jahrhundert am Beispiel des Briefwechsels zweier Brüder, Benediktiner am Stift Melk; Herausarbeitung einer - barocken - Vorgeschichte der Aufklärung.

Internationale Jury

Die Jury-Vorsitzende Jasanoff, Professorin für Science and Public Policy an der Kennedy School of Government, wird als Expertin im Grenzgebiet Gesellschaft, Wissenschaft und der zugehörigen Politik in Europa und den USA bei forschungspolitischen Entscheidungen beigezogen. Sie kennt ihre österreichischen Kolleginnen Helga Nowotny und Ulrike Felt und seit fünf Jahren auch die Verfahrensweise des Wissenschaftsfonds.

Die Jury bestimmt die Gewinner in einer mehrstufigen Auswahl. Die 14 Mitglieder - vor allem aus Deutschland und den USA, ferner aus England, Frankreich und Schweden - verlassen sich zunächst auf Peer Reviews, Beurteilungen durch Fachkollegen. "Der Weg von der Long zur Shortlist ist einfach", sagt Jasanoff. "Bei eher selteneren oder abgelegeneren Themen wie etwa der Erforschung des Benediktiner-Briefwechsels verlassen wir uns auf Expertenmeinungen."

Dann komme die Phase der näheren Auswahl: "Wie wichtig ist die Verknüpfung der Forschung mit der Person? Was ist die Bedeutung für benachbarte Forschungsgebiete?

Zum Schluss, sagt Jasanoff, wähle man aus lauter sehr gut qualifizierten Kandidaten aus. "Und da spielt dann auch das Glück eine Rolle." Dieses Jahr sind immerhin die Chancen gestiegen. (Michael Freund/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 11. 2007)