Die Life Sciences - als Schlüsseltechnologie der kommenden Dekade gehypt - sind auch (wie bereits 1999) Schwerpunkt der Ars Electronica 2000. Das Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft, das von 2. bis 7. September statt findet, stellt sich dem Anspruch, Prozesse der Kultur und neuer Technologien zu analysieren und Möglichkeiten ihrer Gestaltung zu finden. Mit "Next Sex" soll eine kulturkritische Perspektive auf die gesellschaftlichen Imploikationen der Life Sciences geboten werden. "Wenn Sex seiner Fortpflanzungsfunktion entledigt ist und im Gegenzug die moderne Reproduktionstechnologie die weibliche Fruchtbarkeit ins (patriachalische?) Interesse rückt; wenn Pop-Ikonen ihre partnerlose IVF-Elternschaft medial in Szene setzt, während konservative Kräfte das Ideal der Familie propagieren; wenn eine Emanzipation des sozialen wie biologischen Geschlelchts durch die Utopie einer Wahlmöglichkeit, das eine, das andere oder beides zu sein, auch infolge biotechnologischer Interventionen in Aussicht gestellt wird - dann werden Sex und Sexus nicht zuletzt auch an Fiktionen relativiert, die über sie entstehen", erklären die FestivalleiterInnen Gerfried Stocker und Christine Schöpf. Symposium im Brucknerhaus Themen wie Geburtenkontrolle, künstliche Befruchtung, Samenbanken, Ei-Senden und Leihmutterschaft bis hin zur künftigen asexuellen Fortpflanzung mittels Klonierung und künstlicher Gebärmutter werden in einem Symposium am 3. und 4. September im Brucknerhaus diskutiert. Prominente Symposiums-Teilnehmer sind u.a. Nobuya Unno aus Japan, berühmt geworden durch seine Entwicklung einer künstlichen Gebärmutter, oder der gebürtige Wiener Carl Djerassi, "Vater der Anti-Baby-Pille". Es geht aber auch um gesellschaftliche Auswirkungen, etwa auf das Geschlechterverhältnis oder Sexualpraktiken. Bruce Bagemihl aus den USA wird über Homosexualität im Tierreich sprechen, der deutsche Gerichtsgutachter Kurt Behrends über Geschlechtsumwandlungen, Randy Thornhill über seine umstrittene Publikation "Eine Naturgeschichte der Vergewaltigung" und Sergio Messina aus Italien über Fetischismus im Internet. Provokant sind die Beiträge der KünstlerInnen, die am Symposium teilnehmen: Die Portugiesin Marta de Menezes etwa greift in den Entwicklungsprozess von Schmetterlingen ein und kreiert lebende Unikate mit Flügelmustern, die in der Natur nicht vorkommen. Eine KünstlerInnengruppe aus Australien und Israel schafft Skulpturen aus Gewebekulturen, die in einer künstlichen Gebärmutter gezüchtet wurden, und die Amerikanerin Natacha Merritt dokumentierte mit der Digitalkamera das Sexualleben ihres FreundInnenkreises für das Internet. Die Arbeiten sind unter "Next Sex - Installations" während der gesamten Festivaldauer im Brucknerhaus zu sehen. "Next Sex", Ars Electronica 2000 von 2. bis 7. September in Linz, Informationen unter Tel. 0732/72720 oder http://www.aec.at/festival 2000 (red/APA)