Wien - Zwischen den Kulturen/ heißt kulturlos/ zerrissen suchend/ nicht findend/ heißt schwanken/ und ihn nicht finden/ den Ort der Geborgenheit/ sie nicht finden/ die Ruhe.

Mit ihrem Text Zwischen den Kulturen gewann Afnan Al-Jaderi (20) heuer den Exilliteraturpreis in der Kategorie "jugendliche autorInnen". Der SchülerStandard saß in der Jury des Vereins "Edition Exil", der jährlich Schreibende auszeichnet, die einen Migrationshintergrund haben.

Al-Jaderi wurde im Iran als Tochter zweier irakischer Kurden geboren. Gemeinsam flüchtete die Familie nach Österreich, wo sie zunächst in Flüchtlingslagern lebte. Nach Erhalt der Aufenthaltsgenehmigung zogen sie nach Linz. Heute lebt Al-Jaderi in Wien und studiert Arabistik und Translationswissenschaften in Englisch und Französisch.

Und dann beginnst du zu wachsen. Du wirst mit aller Kraft ins Elternhaus gezogen, an "deine" Kultur gebunden, geheftet. Es macht nichts, dass es schmerzt, denn du hast gelernt still zu sein. Nur nicht auffallen.

"Meine Familie hängt an den Traditionen und hält sie krampfhaft fest, um sie nicht zu verlieren", erzählt die 20-Jährige dem SchülerStandard. "Wenn meine Eltern hergekommen wären, weil sie es wollten, wären sie aufgeschlossen für Neues, für eine andere Kultur, aber sie waren gezwungen zu kommen."

Und dann kommt der Punkt, wo du vorsichtig sein musst. Wenn du dich der Kultur zuwendest, an die dich andere binden wollen und dein Herz dich aber nicht hinzieht, dann läufst du Gefahr dich selbst zu verlieren.

"Man redet sich ein, man ist glücklich, aber es ist nicht so. Man fühlt sich wie eine Marionette", sagt die junge Studentin. Es fehle ein Lebensgefühl.

Es war im Vorbeigehen/ eine alte Frau/ geboren und groß geworden/ im geliebten Land./ Es war nur ein Satz/ eine kleine Bemerkung/ nichts Aufregendes/ aber in dir drin/ dein Herz/ es begann zu bluten.

"Es kommt das Gefühl, dass man nur kopiert und nicht das tut, was man will", beschreibt Al-Jaderi. Sie wolle weder die Kultur ihrer Eltern aufgeben, noch sich vor der hiesigen verschließen. "Ich möchte so etwas wie einen 'melting pot'."

Es gibt da auch noch einen anderen Weg. Wenn du Glück hast, werden die, die mit dir kamen, erkennen, dass du hier deine eigene Kultur finden musst und sie lassen dich sein. (smf/DER STANDARD Printausgabe, 13. November 2007)