Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen eine
am Landesgericht Korneuburg tätige Richterin Anklage wegen
Amtsmissbrauchs erhoben. Der erfahrenen Strafrichterin wird
vorgeworfen, einen Prozess gegen einen mutmaßlichen
Zigarettenschmuggler mit einem Laienrichter besetzt zu haben, der gar
nicht auf der Schöffenliste eingetragen war. Erscheint der
Sachverhalt schon ungewöhnlich genug, sorgt der interne Umgang der
Justiz damit für Diskussionsstoff: Die Richterin versieht trotz der
längst zugestellten Anklageschrift, die sie beeinsprucht hat, weiter
aktiv Dienst.
Unschuldsvermutung
"Auch für eine Richterin gilt die Unschuldsvermutung", gab Wilhelm
Tschugguel, der Präsident des Landesgerichts Korneuburg, am
Dienstagnachmittag im Gespräch mit der APA zu bedenken. Die Kollegin
arbeite folglich "ganz normal so weiter wie bisher". Auf die Frage,
ob es nicht bedenklich erscheine, wenn eine Richterin, die unter dem
Verdacht steht, bei der Führung ihrer Amtsgeschäfte rechtswidrig
vorgegangen zu sein, nach wie vor Hauptverhandlungen leitet und
Urteile spricht, verwies Tschugguel auf die besonderen Umstände des
Falls: "Es wäre sicher etwas Anderes, wenn der Verdacht im Raum
stünde, die Kollegin habe in Bereicherungsabsicht wissentlich ihre
Befugnisse missbraucht."
Die Richterin hat gegen die Anklageschrift Beschwerde beim Wiener
Oberlandesgericht eingelegt. Dort ist der Akt seit 7. November
anhängig. Selbst wenn die Beschwerde verworfen werden sollte und die
Anklage damit Rechtskraft erlangt - die Verhandlung würde im Wiener
Straflandesgericht stattfinden -, wird die Richterin bis auf
weiteres aktiv in der Rechtsprechung tätig bleiben, kündigte
Tschugguel an: "Das ist mit dem Oberlandesgericht und dem
Justizministerium akkordiert." (APA)