Wittenberg - Wieweit war die deutsche Einigung vor 17 Jahren zwangsläufig oder
zufällig erfolgt? Und wie kann Österreich als Vergleichsobjekt in diesem Zusammenhang dienen? Bei einer Tagung von Deutschlandforschern in
Wittenberg standen diese Fragen zur Diskussion. In allen
Dokumenten nach der Trennung Österreichs von den deutschen Staaten im
19. Jahrhundert sei von "Wiedervereinigung" die Rede gewesen, sagte
einer der Diskutanten und untermauerte damit seine Ansicht, "es hätte
auch anders ausgehen können" für BRD und DDR ein Jahrhundert später.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sei für Österreich immerhin das
Anschlussverbot erneuert worden.
Auch der Historiker Bernd Weisbrod von der Universität Göttingen
sagte: "Nichts hat auf eine Wiedervereinigung hingedeutet". Derartige
Gedanken waren in den 60er Jahren zu Ende, in den 80ern wäre eine
Vereinigung von BRD und DDR "kaum vorstellbar" gewesen. Weisbrod
sprach von einer "Binationalisierung", die sich in den zwei deutschen
Staaten entwickelt habe und nannte als Beispiel den Wert, den die DDR
auf olympische Erfolge als "DDR-Erfolge" legte.
Stalins Wille
Es sei die Politik Stalins gewesen, Österreich Eigenstaatlichkeit
zu verschaffen, sagte ein weiterer Diskutant anlässlich der unter
anderem von der Bundeszentrale für Politische Bildung organisierten
Veranstaltung. Österreich wäre geografisch ein marginaler Staat
gewesen, weshalb es plausibel sei, warum die Entwicklung hier anders
verlaufen sei als in der DDR.
Demgegenüber unterstrich der Historiker Weisbrod seine
Überzeugung, dass die Wiedervereinigung Deutschlands ein "Window of
Opportunity" gewesen sei. Der politische Prozess der Bürgerbewegung
habe alles andere als das im Sinn gehabt. (APA/Red)