Wien - Sie zählt zu den ältesten Kunstformen der Balkanländer und war oft Symbol politischer Entwicklungen: Die Ikone gilt gerade in Bulgarien als jene Kunstform, die die eigenständige Kultur des Landes seit dem 6. Jahrhundert repräsentiert und durch das vergangene Jahrtausend getragen hat. Mit der Sonderausstellung "Feuer und Geist" im Wiener Dommuseum ist die große Sammlung bedeutender Ikonen und sakraler Kirchengeräte aus der Schatzkammer des bulgarischen Patriarchats erstmals im Ausland zu sehen (bis 1. März).

Kein Reiseführer Bulgariens kommt ohne sie aus: Die "Heilige Gottesmutter Pantovassilisa", eine großformatige "Wegweiser-Muttergottes" aus dem 16. Jahrhundert, deren leuchtende Farben und Harmonie der beiden Gesichter, Marias und Jesu, in einen seltsamen Bann ziehen. Die verschiedenen Formen der Ikonographie, die sich oft nur durch winzige Details unterscheiden, können auch an den umliegenden Madonnen-Ikonen nachvollzogen werden. So zeichnet sich etwa eine "Wegweiser-Muttergottes" durch das Zeigen der rechten Hand auf das Jesuskind in ihrem Arm aus, mit dem sie seinen Ausspruch: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" versinnbildlicht.

"Dreihändige Muttergottes"

Historische, biblische oder religionspolitische Hintergründe stecken hinter all diesen Feinheiten, wie hinter der Gattung der "dreihändigen Muttergottes", die auf einen Märtyrer, dem der Legende nach beim Gebet vor der Ikone seine abgehackte Hand wieder anwuchs, zurückgeht.

"Das sind große Schätze unserer Kultur", betonte der Direktor des Nationalkirchlichen historisch-archäologischen Museums in Sofia, Nikola Hadjiev, beim Presserundgang durch die Ausstellung. Vor allem die "Alttestamentliche Dreifaltigkeit", deren Maler Nedjalko aus Lovetsch einer der wenigen namentlich bekannten aus der Zeit bis zum 16. Jahrhundert ist, gehört durch ihre Personifizierung der Dreifaltigkeit in Form von drei Engeln, die in Abrahams Haus zu Besuch sind, zu den berühmtesten Werken der Ikonographie.

Ikone aus dem Jahr 681

Auch einige der ältesten Ikonen überhaupt sind derzeit in Wien zu sehen, wie das marmorne Relief von Konstantin und Helena aus der Zeit vor der Gründung des bulgarischen Staates im Jahr 681.

Zusätzlich zu den Ikonen hat Hadijev zu der Schau, die in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Oriente entstanden ist, auch andere wertvolle Gegenstände aus der Schatzkammer des Patriarchats mitgebracht, wie kostbar verzierte Evangelien, Weihrauchgefäße und Gürtelschnallen, die selbst berühmte Ikonen enthalten. Eine weitere religionspolitische Geschichte steckt hinter den kostbaren liturgischen Gewändern aus Glasperlen: Sie wurden von einem bulgarischen Geistlichen im Gefängnis geknüpft, nachdem er wegen seines Aufstandes gegen die Türken festgenommen wurde.

Um jedoch nicht ausschließlich in der Geschichte verhaftet zu bleiben, beinhaltet die Ausstellung zusätzlich die Arbeit der Künstlerin Minna Antova. Diese illustriert mit ihrer Installation "Hermenaia/Palimpseste" die Malerhandbücher, die "Erminien", nach denen bulgarische Ikonenmaler sich richten mussten. Sie sorgt damit für zeitgenössische Farbkleckse zwischen den gold-roten Ikonen. (APA/red)