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Hochtechnologie in China am Beispiel des Flugzeugbaus: Hier wird ein Flieger der Avic Commercial Aircraft Company in Schanghai fertiggestellt. Der Testflug ist für 2008 geplant.

Foto: APA/EPA/Mir Young
Chinas Forschung holt kräftig auf. Nun wollen auch immer mehr Österreicher mit chinesischen Wissenschaftern zusammenarbeiten. Asien-Experten raten, sich dabei nicht von Verständigungsschwierigkeiten einschüchtern zu lassen.

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"Es ist höchste Zeit, zu erkennen, dass China ein präsenter Forschungsstandort ist", meint Susanne Weigelin-Schwiedrzik. Die großen Veränderungen in der Forschungslandschaft Chinas im Laufe der letzten zehn Jahre, so die Sinologin und Vize-Dekanin der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät (Uni Wien), würden hierzulande nur zögerlich wahrgenommen: "Es gibt zwar Kooperationsabkommen, aber man muss sie auch mit Leben füllen."

Während die Zusammenarbeit mit Wissenschaftern aus den USA oder Europa selbstverständlich ist, scheitern Projekte mit dem boomenden Reich der Mitte zuweilen an Misstrauen, Berührungsängsten oder Unwissen. Initiativen wie das "Wissenschafts- und Technologiejahr China - Europa 2007", das österreichische Bildungs- und Forschungsnetzwerk "Eurasia-Pacific Uninet" sowie diverse Förderungen sollen gegensteuern. Tatsächlich beackern mittlerweile etliche Gruppen - beispielsweise von den TUs in Graz und Wien sowie der Boku - so unterschiedliche Themen wie Materialforschung, Biolandbau oder Teilchenphysik mit chinesischen Partnern.

Kontakt pflegen

Für den Erfolg in China gibt es kein Patentrezept. Für die von Europäern gescheuten Verständigungsprobleme gibt es Abhilfe: "Hebammen" für gedeihliche Zusammenarbeit, meint Susanne Weigelin-Schwiedrzik, finden sich beispielsweise unter den Uni-Absolventen der Ostasienwissenschaften. "Chinesen legen Wert auf kontinuierlichen Kontakt", berichtet Rudolf Bauer. Deswegen reist der Pharmazieprofessor vom Grazer "Forschungszentrum für Traditionelle Chinesische Medizin" regelmäßig nach Fernost, um vor Ort alte Freundschaften zu pflegen und neue Projektpartner zu treffen. Bauer hat sich auf die Analytik von Wirkstoffen in chinesischen Arzneipflanzen spezialisiert.

Hier geht es nicht darum, die Rezepturen für Kräutertees aus dem Esoterikladen zu verbessern, sondern Substanzen gegen Tuberkulose, Krebs, Alzheimer oder Malaria zu isolieren. Bauer arbeitet bereits seit den frühen 1980ern mit chinesischen Forschern zusammen. Nicht weil er sich als "Entwicklungshelfer" sieht, sondern weil er von der Zusammenarbeit profitiert. "Früher musste man in China nach guten Labors suchen. Mittlerweile gehören manche zur Weltspitze", so Bauer.

Vorurteile über China

Derzeit lernen und forschen rund 1500 Studierende aus China an österreichischen Unis und Fachhochschulen. Doch taugen chinesische Wissenschafter im westlichen Ausland überhaupt zum kritischen, kreativen und innovativen Denken oder doch nur - bedingt durch Lernkultur und politisches System - zum unselbstständigen Auswendiglernen? Diese Vorurteile lassen Asien-Experten nicht gelten.

In manchen Fachjournalen stammen die meisten akzeptierten Aufsätze von Chinesen, die sich noch in den 1990ern durch ihren Fleiß beim Einreichen, aber nicht durch wissenschaftliche Qualität hervorgetan hatten. Mittlerweile ist die Konkurrenz Chinas real.

Mehr als drei Millionen chinesischer Studenten erhalten jährlich ihr Uni-Abschlusszeugnis, ca. 600.000 davon als Ingenieure. "Viele Familien sparen jahrelang, um das Studium zu finanzieren", weiß Liu Lixin, Abteilungsleiter für Bildung in der Chinesischen Botschaft in Wien. Die gut ausgebildeten "Young Professionals" sind hoch motiviert und streben nach Wohlstand. "Wenn Exzellenz zur Masse kommt", resümiert Arzneipflanzenspezialist Rudolf Bauer, "entsteht eine enorme Dynamik." Die glitzernden Elite-Unis und Hightech-Zonen rund um Peking und Schanghai machen die 800 Millionen Menschen vergessen, die in unterentwickelten Regionen auf dem Land leben. In China trifft man auf Forscher, die, angelockt durch Rückkehrerprogramme, nach einer Bilderbuchkarriere im Ausland ein Spitzeninstitut leiten, und auf Einrichtungen, wo man radebrechend Englisch spricht und die Strukturen für ausländische Partner frustrierend sind.

Auch die Frage des geistigen Eigentums ist äußerst heikel. Unternehmen fürchten um ihren Wissensvorsprung, wenn sie nicht nur ihre Produktion ("Fabrik der Welt"), sondern auch Forschung und Entwicklung nach China auslagern. Einige westliche Wissenschafter argwöhnen, dass Projektpartner die gemeinsam erarbeiteten Daten in chinesischen Fachjournalen als Eigenleistung verkaufen. Auch die ungelösten Probleme des Landes wie soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung oder Menschenrechtsverletzungen schrecken so manchen vom Wagnis China ab. Dabei, so Sinologin Weigelin-Schwie-drzik, wären "enge Kontakte die beste Art, um China in das Geschehen einzubinden".

Hin- und hergerissen zwischen den ambivalenten China-Bildern, hat auch die Forschungspolitik keine einheitliche Strategie gefunden, so Martin Berger. "In der EU ist nicht ausgemacht, wie man mit China umgehen soll. Als Entwicklungsland, mit dem die Zusammenarbeit gefördert wird? Oder als angehender Wettbewerber?", so der Forscher vom Institut für Technologie- und Regionalpolitik (Joanneum Research), der sich auch in seiner jüngsten Studie mit China beschäftigt hat.

Bisher gibt es nur eine Handvoll österreichischer Unternehmen mit F&E-Aktivitäten in China. Vielleicht ist der umgekehrte Weg erfolgreicher? In Wien soll der "Chinese Austria Technology Park" entstehen, geplante Schwerpunkte sind IT und Umwelttechnologien. "Wir laden das chinesische Kapital ein, bei uns zu investieren", so Bernd Rießland, Geschäftsführer des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds. Baubeginn für die Technologie-Immobilie in Kagran ist Herbst 2008.

Bleibt zu hoffen, dass die Mitarbeiter der chinesischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen überhaupt nach Österreich dürfen. Ye Jianzhong, Botschaftsrat für Wissenschaft und Technologie in Wien, befürchtet Hindernisse: "Es ist schwierig, ein Visum für Österreich zu bekommen."

Der Club Research und das Infrastrukturministerium laden am 19. 11. um 18 Uhr ins TechGate (1220 Wien, Donau-City-Str. 1) zur Diskussion "Großer Sprung oder langer Marsch - Chinas Rückkehr zur Technologie-Großmacht".

(Julia Harlfinger/DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2007)