Markus Ritter erhielt den "European Award of Iranian Studies".

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Als Fünfjähriger stand Markus Ritter auf dem Kopf der Buddhastatue in Bamiyan in Afghanistan, die dreißig Jahre später von den Taliban zerstört wurde. Im Gymnasium lernte der Kunsthistoriker am Institut für Iranistik der Akademie der Wissenschaften nebenbei Türkisch, reiste mit seinen Eltern viel in Vorderasien und pflegte ein Interesse für Archäologie. Sein Buch über islamische Architektur des 18. bis 19. Jahrhunderts in Iran wurde Ende September mit dem "European Award of Iranian Studies 2007" ausgezeichnet.

Die Große Moschee von Damaskus mit ihren Wandmosaiken aus dem 8. Jahrhundert war wohl ausschlaggebend für die kombinierte Fächerwahl an der Universität Bamberg: Islamische Kunstgeschichte, Orientalistik, Baugeschichte und Klassische Archäologie. Das Erlernen von Türkisch, Arabisch und Persisch ist ihm nie schwergefallen, "es braucht nur Zeit", so der in Braunschweig geborene Wuppertaler.

Derzeit bearbeitet er Herrscherdarstellungen in der Wandmalerei Irans zwischen Spätmittelalter und Moderne, den Wandel von Form und Inhalt in Bildern, die nicht nur Privatpersonen zugänglich sind, sondern einem breiten Publikum. Der 40-Jährige bereiste schon zahlreiche Orte, die hierzulande eher als Krisenherde wahrgenommen werden. Für ihn sind Vorderasien, Nordafrika und besonders der Iran "wunderbare, wenn auch manchmal anstrengende Reiseländer". Lieblingsorte entdeckt er dort jedesmal neue. Als Forscher und Vortragender war er bereits von Braunau, über Kairo und Qatar bis Teheran unterwegs. Voraus gingen mehrere studentische Aufenthalte, deren wichtigster Effekt wohl besseres Verständnis für Kultur, Lebensweise und Geografie des jeweiligen Landes war.

Europäisches Bedürfnis nach Abgrenzung

Als Kunsthistoriker kann er Architektur unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten: So der Stilgeschichte, des Auftraggebers, des Publikums oder der Meister. Generalisierungen lassen sich allenfalls für Perioden und Regionen vornehmen. "Islamische Kunstgeschichte" ist sicher ein eher fragwürdiger Begriff, weil die italienische Renaissance ja auch nicht als "christliche Kunstgeschichte" bezeichnet wird. Der Begriff spiegelt eher ein europäisches Bedürfnis nach Abgrenzung von "einem riesigen Gebiet mit kultureller, sprachlicher und ethnischer Vielfalt und mannigfaltiger Geschichte unter einem einzigen Begriff, der religiös ist".

Als Geisteswissenschafter betreibt er Grundlagenforschung, wobei die englische Bezeichnung Human Sciences den Nutzen seiner Zunft besser betont: den Menschen und seine Hervorbringungen in den Mittelpunkt zu stellen. Das Ornament ist in der islamischen Kunst beinahe eine eigene Kunstgattung neben Architektur und Malerei. Es ist Schmuck und erfüllt darin verschiedene Funktionen.

In seiner Arbeit kann er relativ viel Forschung unterbringen. Grundsätzlich gibt es wohl verschiedene Wissenschaftertypen. Er selbst hält Neugierde, Fantasie, ein breites Grundlagenwissen und letztlich Fleiß für wichtig. Die Aufgabe, Zusammenhänge zu rekonstruieren, das Interdisziplinäre und die künstlerische Bedeutung der Bauten und Objekte faszinieren und motivieren ihn täglich.

Seinen beiden kleinen Kindern und seiner Frau widmet er den größten Teil seiner Freizeit. Was bleibt, nutzt er für Spazierengehen, Lesen und Musikhören. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2007)