Psychologin Zeman: "Detektoren verhindern keine Gewalt"

Foto: SchülerStandard
Wien - Ein Schüler, der seinen Kollegen droht, eine Waffe in die Schule mitzubringen - und dem daheim der Vater das Schießen beibringt: "Da muss man sich fragen, ob das ein normales Verhalten für einen Zwölfjährigen ist und eventuell auch die Jugendwohlfahrt einbeziehen." So reagierte am Dienstag Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SP) auf Berichte aus dem Gymnasium Wasagasse. Besorgte Eltern hatten sich am Montag an die Öffentlichkeit gewandt: Besagter Schüler drohe nicht nur, eine Waffe mitzubringen - er terrorisiere auch regelmäßig seine Mitschüler. Und der Vater, ein Waffenlobbyist, erklärt öffentlich: "Einem Buben das Schießen beizubringen ist ein wertvoller Teil der Erziehung."

Jetzt werden die Vorfälle im Stadtschulrat und von der Schulaufsicht geprüft. Gleichzeitig wird ab heute, Mittwoch, am Gymnasium Wasagasse ein Schulpsychologe zur Verfügung stehen: "Wir bieten eine Beratung sowohl für Lehrer als auch für die betroffenen Schüler", erläutert Mathilde Zeman, Leiterin der Abteilung Schulpsychologie im Standard-Gespräch. "Wie soll ich mich verhalten, wenn mir ein Schüler eine Waffe zeigt, wie reagiert man, wenn es gewaltsame Auseinandersetzungen gibt?"

Keine Panik

Entscheidend sei dabei, "dass man nicht mit Panik oder Angst reagiert. Wenn ein Schüler eine Waffe mitbringen sollte, muss die natürlich abgenommen werden - aber genauso wichtig ist es, mit dem Schüler ins Gespräch zu kommen. Nimmt man die Waffe ab, ist nur die Akutgefährdung weg." Zeman: Metalldetektoren am Schuleingang würden keine Gewalt verhindern. "Man muss ins Gespräch kommen, Vertrauen aufbauen und die Ursache finden."

Wobei das für Zeman und ihr Team immer schwieriger wird: "Trotz steigenden Potenzials haben wir seit über 15 Jahren keine einzige zusätzliche Planstelle vom Unterrichtsministerium bekommen." Und das heißt im Klartext: "Für alle Schularten in Wien mit insgesamt 220.000 Schülern haben wir nur 25 Psychologen. Das bedeutet, auf 10.000 Schüler kommt ein Psychologe."

Ausbildungsdefizite

Noch schärfer fällt die Kritik des ehemaligen Wiener Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz aus, der sogar von einem "sozialpsychologischen Elend der Schulen" spricht. Wobei er nicht nur "das Fehlen dutzender Schulpsychologen" meint, sondern auch den "tiefenpsychologischen Analphabetismus unserer Lehrerausbildung. Da wird gelehrt, wie man antike Versmaße und das Rechnen mit indirekten Zahlen vermittelt - aber für solche Probleme werden die angehenden Lehrer nicht ausgebildet."

Weiters sei es für ihn schlimm, "dass für solch ein Problem der Notschrei der Eltern in einer Pressekonferenz notwendig ist. Das ist schon eine traurige Bestandsaufnahme über die Kommunikationswege in unserem Bildungssystem."

Für die Wasagasse sei es jetzt laut Scholz "wichtig, mit Ruhe und Augenmaß an dieses Problem heranzugehen. Das entbindet die Bildungspolitiker nicht von einer mittelfristigen Denksportaufgabe. Aus Furcht die Schulen zu Festungen zu machen kann nicht funktionieren." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 14.11.2007)